Deutschland steckt in einer gefährlichen Stagnation

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Deutschland steckt in einer gefährlichen Stagnation

Beitragvon Kaktusblüte am Mi 26. Feb 2020, 17:53

Deutschland steckt in einer gefährlichen Stagnation
Die deutsche Wirtschaft tritt auf der Stelle. Im letzten Quartal 2019 wuchs das Bruttoinlandsprodukt gegenüber dem Vorquartal nicht mehr. Wachstum 0,0 bei einer "angepassten" statistischen Berechnung für den BIP, in welcher nun z. B. auch eine Schätzung der "wirtschaftlichen" Ergebnisse der Prostitution und des Drogenhandels eingingen.

Vor allem die Industrie zog das BIP in die Tiefe. Für die kommenden drei Monate befürchten die Ökonomen einen weiteren Rückgang.

Die Halbwertszeiten von Wirtschaftsstatistiken und Prognosen werden immer kürzer. Vor nicht einmal einem Monat rechnete das Statistische Bundesamt bei der Vorstellung der jährlichen Wachstumszahlen für Deutschland noch mit einem leichten Plus im vierten Quartal. Die Bundesregierung sprach vor zwei Wochen im Jahreswirtschaftsbericht davon, dass die deutsche Wirtschaft wieder Fahrt aufgenommen hat.
Doch Statistiker und Politiker wurden jetzt von der Realität eingeholt. Die deutsche Wirtschaft ist im vierten Quartal auf der Stelle getreten. Das Statistische Bundesamt vermeldete ein „Wachstum“ von 0,0279 Prozent im Vergleich zum Vorquartal.

Deutschland steckt nun in einer gefährlichen Stagnation. Denn in den Zahlen für das vierte Quartal sind noch nicht die wirtschaftlichen Folgen der Coronavirus-Epidemie enthalten. Die dürften das exportlastige Deutschland mit voller Wucht im ersten Quartal treffen. Damit könnte es im Auftaktquartal 2020 zu einem Minus kommen.

„Das Coronavirus stellt ein Risiko für die globale Erholung dar, da die Hoffnungen auf einer Belebung der chinesischen Wirtschaft ruhen“, sagt Stefan Schneider, Ökonom der Deutschen Bank. Dieser Faktor dürfte das deutsche Wachstum im ersten Quartal 0,2 Prozentpunkte kosten. Er rechnet damit, dass das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Januar und März um 0,1 Prozent schrumpfen wird.

Im vierten Quartal zog die Industrie das deutsche BIP-Wachstum in die Tiefe. Allein im Dezember brach die Industrieproduktion um 3,5 Prozent ein. Es war das größte Minus seit der Finanzkrise und der fünfte Rückgang in sieben Monaten. Gleichzeitig signalisieren die Auftragseingänge im verarbeitenden Gewerbe keine rasche Erholung. Im Dezember wurden 2,1 Prozent weniger Maschinen und sonstige Industrieprodukte bei Firmen in Deutschland geordert. Vor allem auch das Ausland wird zurückhaltender. Die Exporte stiegen im Dezember nur noch um 0,1 Prozent nach einem Minus von 2,2 Prozent im November.
Die deutschen BIP-Zahlen offenbaren, dass das Wachstum beim Binnenkonsum, dem Bau und den Staatsausgaben nicht mehr ausreicht, um die Gravitationskräfte der Industrie zu überwinden. Selbst der überraschend robuste Arbeitsmarkt kann Deutschland von den globalen Unbilden kaum abschotten. „Die deutsche Konjunktur ist immer anfälliger“, kommentiert Deutschbanker Schneider.

Der Euro fällt auf Dreijahrestief.

Die Finanzmärkte reagierten unterschiedlich auf die Zahlen. Der Euro fiel auf 1,0830 Dollar, den tiefsten Stand seit drei Jahren. Dagegen legte der Deutsche Aktienindex Dax sogar leicht zu. Hier überwog offensichtlich die Erleichterung darüber, dass Deutschlands BIP im vierten Quartal nicht ins Minus gerutscht ist.

Tatsächlich könnte Deutschlands exportorientierte Wirtschaft abermals Dusel haben und die Rezession abwenden. In den letzten 18 Monaten konnte die Ökonomie bereits zwei Mal das böse „R-Wort“ knapp abwenden. Seit dem dritten Quartal 2018, als das deutsche BIP nach einer langen Wachstumsperiode zum ersten Mal schrumpfte, wächst die deutsche Volkswirtschaft quasi nicht mehr richtig.
Die Wachstumsschwäche trifft Deutschland zu einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Nach dem angekündigten Rücktritt der CDU-Vorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer scheint die Bundesregierung noch weniger handlungsfähig. Ökonomen sehen das Risiko, dass sich die CDU eher um sich selbst als um die Wirtschaft im Lande kümmern könnte.

Die deutsche Wirtschaft sieht in den schwachen Konjunkturdaten für Ende 2019 eine „Warnung für das laufende Jahr“. Die deutsche Exportwirtschaft und damit viele Schlüsselbranchen der Industrie kämpften weiterhin mit den gravierenden Handelskonflikten und den noch ungeklärten Folgen des Brexits, sagte DIHK-Hauptgeschäftsführer Martin Wansleben. „Hinzu kommt, dass die Auswirkungen des Coronavirus noch wenig absehbar sind, gleichwohl eine Verunsicherung bei den international agierenden deutschen Unternehmen bewirken.“ Wansleben forderte von der Politik Entlastungssignale im Inland: „Planungsbeschleunigung bei Investitionsvorhaben und Steuersenkungen sollten ganz oben auf die Agenda der Bundesregierung rücken.“

Die letzte Rezession erlebte Deutschland in den Winterquartalen 2012/2013. Sie verlief relativ glimpflich. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich nur leicht von 6,8 auf 6,9 Prozent. Doch damals setzte rasch ein kräftiges Wirtschaftswachstum ein und ließ die deutschen Sorgen verschwinden. Damit rechnet heute kein Ökonom. Nicht nur die Folgen des Coronavirus sind ein unkalkulierbares Risiko. Auch die Unsicherheit rund um den Brexit könnte dazu führen, dass die Prognostiker schon bald wieder ihre Vorhersagen anpassen müssen.
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