Negativzinsen sind für den EURO der Untergang

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Negativzinsen sind für den EURO der Untergang

Beitragvon Kaktusblüte am Fr 30. Aug 2019, 08:27

Negativzinsen sind der Untergang: Zentralbank beendet die freie Marktwirtschaft

Boris Roessler/dpa
FOCUS-Online-Experte Thorsten Polleit
Samstag, 17.08.2019, 18:08

Der Rat der EZB hat auf seiner letzten Sitzung am 25. Juli 2019 die Leitzinsen zwar unverändert gehalten. Doch gleichzeitig hat EZB-Präsident Mario Draghi den Boden bereitet, um die Zinsen in den kommenden Monaten noch weiter abzusenken. Was ist der Grund?
Wer gehofft hat, es könnte nicht schlimmer kommen mit der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB), der sieht sich getäuscht: Der Hauptrefinanzierungszins wurde bei 0,0 Prozent, der Einlagenzins bei minus 0,40 Prozent belassen.
Die Inflation“ falle zu niedrig” aus, so der EZB-Rat, und die Wirtschaft sei zu schwach. Mit eben dieser Einschätzung wurde den Märkten signalisiert, dass sie mit einer baldigen Leitzinssenkung zu rechnen haben: Es ist sehr wahrscheinlich, dass der Einlagenzins auf der nächsten EZB-Sitzung im September um 0,2 Prozentpunkte auf minus 0,60 Prozent abgesenkt wird; und sogar der Hauptrefinanzierungszins könnte auf minus 0,20 Prozent fallen. Der fortgesetzte Weg in die Negativzinswelt hat dramatische Folgen.

Das Wesen des Zinses
Das wird einsichtig, wenn man sich klarmacht, was der Zins eigentlich ist. Kurz gesprochen steht er für den Wertabschlag, den ein gegenwärtig verfügbares Gut gegenüber einem erst künftig verfügbaren Gut (unter sonst gleichen Umständen) erleidet. Der Zins – oder besser: „Urzins“ – ist dabei immer und überall positiv. Er kann im freien Markt nicht verschwinden, kann nicht auf null geschweige denn unter die Nulllinie fallen. Der Zins lässt sich aus dem menschlichen Handeln und seinen Werten nicht wegdenken.

Nun gibt es allerdings die Theorie, der „neue natürliche Zins“ – der „volkswirtschaftliche Urzins“ – sei negativ geworden. Und obwohl das eine falsche Theorie ist, hat sie bereits Eingang in die Geldpolitik gefunden – denn sie ist für Regierungen und etablierte Interessengruppen höchst attraktiv: Wenn die Zentralbank den Zins in den Negativbereich zwingt, wird das Neuverschulden gewinnträchtig; und strauchelnde Staaten und Euro-Banken können sich auf Kosten der Gläubiger gesunden.

Dass viele Marktzinsen sich derzeit im Negativbereich befinden, ist kein Beweis für die Richtigkeit der „neuen Zinstheorie“. Denn die Marktzinsen sind manipuliert. Sie werden von den Zentralbanken diktiert, nicht nur die Kurz-, sondern auch die Langfristzinsen: Die Geldbehörden kaufen Schuldpapiere und erhöhen dadurch deren Kurse und senken die Renditen. Das ist der Grund, warum viele Zinsen negativ sind, und das ist nicht „natürlich“: Die Zentralbanken haben sie dorthin getrieben.

Negativzins für alle
Ist es denkbar, dass bald auch Konsum-, Hausbau- und Unternehmenskredite mit einem Negativzins angeboten werden? Ja, durchaus. Um zu verdeutlichen, wie das gehen kann, nehmen wir an, die Euro-Banken bekommen Kredit bei der EZB für minus 2 Prozent pro Jahr: Sie leihen sich 100 Euro und zahlen nach einem Jahr 98 Euro zurück. So erzielen die Banken mühelos einen Gewinn von 2 Euro. Die EZB wird aber Kredite zu Minuszinsen nur unter der Bedingung vergeben, dass die Banken das Geld weiterverleihen.

Um in unserem Beispiel zu bleiben: Die Bank beschafft sich 100 Euro für ein Jahr zu minus 2 Prozent pro Jahr bei der EZB. Sie verleiht das Geld an Konsumenten zu einem Zins von, sagen wir, minus ein Prozent (sie verleiht also 100 Euro und erhält nach einem Jahr 99 Euro zurück). Insgesamt gesehen macht die Bank einen Gewinn von 1 Euro: Sie verdient durch die Kreditaufnahme bei der EZB 2 Euro, notgedrungen verliert sie im Kreditgeschäft 1 Euro. Eine irre Welt! Für den Wohlstand der Volkswirtschaften bedeutet das nichts Gutes.

Weg in die Planwirtschaft ?
Wenn jedermann plötzlich einen Kredit mit Negativzinsen bekommen kann, dann ist zu erwarten, dass die Kreditnachfrage außer Rand und Bank gerät. Daher muss die EZB zur Kreditrationierung greifen: Sie bestimmt vorab, wieviel neue Kredite es geben soll, und danach teilt sie diese Kreditmenge zu. Nicht mehr der Kreditmarkt entscheidet, wer wann welchen Kredit zu welchen Konditionen bekommt, sondern diese Entscheidungen trifft die EZB.
Nach welchen Kriterien sollen die Kredite zugeteilt werden? Sollen alle, die Kredit nachfragen, etwas bekommen? Oder sollen beschäftigungsintensive Wirtschaftssektoren bevorzugt werden? Oder sollen die Kredite nur an Zukunftsbranchen gehen? Oder sollen schwächelnde Industriezweige mit zusätzlichen Krediten gestützt werden? Oder soll der Süden Europas mehr als der Norden bekommen? Diese Fragen lassen bereits erkennen: Mit der Negativzinspolitik kommt die Planwirtschaft.

Die EZB entscheidet damit, wer was wann und wo finanzieren und produzieren kann. Wie eine Zentralplanungsbehörde befindet sie – beziehungsweise die Interessengruppen, die sie beherrschen – über die Geschicke der Volkswirtschaften: Welche Industrien gefördert oder zurückgedrängt werden; welche Volkswirtschaften stärker und welche schwächer wachsen dürfen; welche Banken in welchen Ländern überleben dürfen und welche nicht. Willkommen in der Planwirtschaft im Euroraum. Doch damit nicht genug!

Spekulationsblase
Durch die fortgesetzten Zinssenkungen blähen sich die Preise für das Bestandsvermögen auf: Aktien, Häuser und Grundstücke, alles wird teurer. Denn je niedriger der Zins ist, desto höher fallen auch die Barwerte der künftigen Zahlungen und damit auch die Marktpreise der Vermögensgüter aus. Die Niedrig- und Negativzinspolitik der Zentralbanken sorgt so gesehen für eine fulminante Preisaufblähung auf den Vermögensmärkten; eine gigantische Spekulationsblase wird so aufgepumpt.

Das beschert den Investoren zunächst hohe Renditen. Doch gleichzeitig verschlechtern sich dadurch die künftigen Renditeaussichten. Das erklärt sich wie folgt: Die Null- und Negativzinsen lassen die Preise von Aktien und Häusern so weit ansteigen, bis die erwartete Rendite, die diese Anlageklassen versprechen, sich dem Niedrig- beziehungsweise Negativzins, den die Zentralbank setzt, angenähert hat. Im Extremfall fallen die erwarteten Marktrenditen sogar auf oder gar unter die Nulllinie.

Wenn aber die Zentralbankpolitiken erst einmal alle Rendite auf oder unter die Nulllinie gedrückt haben, steht die freie Marktwirtschaft vor dem Aus. Ohne einen positiven Zins, ohne eine positive Rendite in Aussicht zu haben, hört das Sparen und Investieren auf. Die arbeitsteilige Volkswirtschaft kommt zu Erliegen. Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen hören auf, Kapitalverzehr setzt ein, und die moderne Volkswirtschaft fällt zurück in eine primitive Subsistenzwirtschaft.

Ende der Wohlfahrtsdemokratie
Die Geldpolitik der Null- und Negativzinsen führt – wenn man sie konsequent zu Ende denkt – zum Untergang der freien Gesellschaft, wie man sie in der westlichen Welt bisher gekannt hat. Ihre zerstörerische Wirkung wird jedoch nicht für jedermann sofort ersichtlich, weil die Null- und Negativzinsen zunächst einen künstlichen Konjunkturaufschwung in Gang halten, der die Volkswirtschaft eine ganz Zeit lang quasi ungestraft aus der Substanz leben lässt.
Erst nach und nach werden die Schäden sichtbar. Der Wohlstandszuwachs schwindet; die politischen Verteilungskämpfe nehmen zu; der Staat wird immer mächtiger; die Freiheitsgrade für Bürger und Unternehmen nehmen ab; und irgendwann kollabieren auch die Vermögenspreise, platzt die Blase, weil die Leistungsfähigkeit der Volkswirtschaft immer stärker beeinträchtigt wird: Unternehmen machen weniger Gewinn, Arbeitsplätze gehen verloren, Konsumenten müssen ihre Nachfrage einschränken.

Das alles führt zu wirtschaftlicher Verarmung und sehr wahrscheinlich auch zu politischem Chaos. Die Null- und Negativzinspolitik sägt sprichwörtlich den Ast ab, auf dem die Wohlfahrtsdemokratie der westlichen Welt Platz genommen hat. Ihre katastrophalen Wirkungen sind schon heute einsehbar. Dass den Zentralbanken nicht das Handwerk gelegt wird – nicht von den Ökonomen, nicht von der Politik, nicht von den Bürgern –, ist eine der ganz großen Tragödien unserer Zeit.
Kaktusblüte
 
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