Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Moderator: mod

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am Di 28. Jun 2016, 09:10

Hallo @ Heinze.
Ich glaube nicht, dass das Ausscheiden von GB aus der EU Deutschland nur 3% der Wirtschaftsleistung kostet. GB ist der 3 größte Kunde der Exportnation Deutschland. Wie ich hörte, hängen an der Produktion für GB ca.1 Mio. Arbeitsplätze in D dran. Der Ausfall durch Handelsembargo nach Russland traf den Osten D. Und das sehr hart, da der Osten darauf spezialisiert ist. Der Export nach GB trifft nun den Westen von D. Wenn das so weitergeht, braucht sich über die Konsequenzen keiner mehr zu wundern.

Das ist die eine Seite. Die nächste Seite ist, dass das Ausscheiden GB nur die Spitze der Zerrüttung der EU ist. Auch hierüber braucht man sich nicht zu wundern und das kommt auch nicht überraschend. Die Finanzkrise, die hohe Jugendarbeitslosigkeit, das Nord-Süd-Gefälle, die Flüchtlingskrise und vieles mehr haben dazu beigetragen, dass kein gleichberechtigtes Handeln in der EU mehr vorgenommen wurde. Politischer und wirtschaftlicher Druck wurde und wird auf viele Länder ausgeübt. Mit Ungarn spricht Deutschland nicht mehr, die Polen werden in ihren souveränen Entscheidungen gemaßregelt, Österreich wird braun abgekanzelt, die Tschechen und Slowaken sitzen am Katzentisch und in Frankreich liegt die Wirtschaft gar nieder. Eine Spaltung der EU ist längst vollzogen. Viele EU Länder haben tatsächlich seit der EURO-Einführung herbe wirtschaftliche Nachteile, die sich auch nicht mehr verbergen lassen. Die Wachstumsraten der Wirtschaft in der EU sprechen eine deutliche Sprache. Das sind jetzt nur die Auswirkungen einer verfehlten Politik seit Jahren. Sollte sich die EU nicht grundlegend erneuern und lebensnahe Antworten auf die Fragen unserer Zeit geben können, wird sie zerfallen und der Euro mit. Gegenwärtig richtet man sich darauf ein, nur noch mit dem "Kerneuropa" Absprachen zu Richtungsentscheidung zu führen. Das führt zur weiteren Spaltung und zur Beschleunigung des Zerfallsprozesses. Im Übrigen liegt es doch auf der Hand, dass die EU konsequent die Politik der großen internationalen Konzerne macht. Es entwickelt sich ein Prozess wie in den USA. Der Mittelstand wird abgehängt und ist der Verlierer. In D steht er schon auf der Straße. Was ist u. a. mit den "Geheimverhandlungen der EU mit den USA zum Handelsabkommen? Für wen wird das denn gemacht und warum darf das Volk das nicht sehen? Warum wird von der EZB eine solche Niedrigzinspolitik mit Negativzinsen gemacht, die dem Sparen die letzten Groschen nimmt? Ja, dass was im Moment passiert ist lediglich die Quittung. Die Menschen wollen nicht mehr fremdbestimmt werden. Sie wollen mit ihren Nöten und wirtschaftlichen Problemen ernst genommen und nicht von der Politik und einer gleichgeschalteten Presse veräppelt werden. Das ist die Wahrheit nicht nur in GB.

Was mich besonders bewegt, sind die Diskussionen führender Politiker in Deutschland zu GB und der EU. So hört man, dass der Volksentscheid in GB "keine Bindewirkung hätte" oder nochmals abgestimmt werden müsse, GB zerfallen werden u. a. m. Sind wir denn noch bei Sinnen? Ein Volksentscheid ist uns schnuppe, wir machen was wir wollen?
Oder wir wählen so lange, bis wir ein Ergebnis haben, was uns gefällt? Da wird nicht nur die EU zerfallen - da geht mehr kaputt (wenn das nicht schon passiert ist) und wahrscheinlich ganz schnell, wenn da nicht endlich die Ignoranz aufhört.

Wann haben wir in Deutschland den letzten Volksentscheid gewagt? Ich bin mir sicher, dass die politischen Eliten erstaunt wären, was die Menschen in unserem Lande zu den wichtigsten Fragen unserer Zeit denken und abstimmen. Nur meine ganz persönliche Meinung.
Peter
 
Beiträge: 77
Registriert: Di 25. Aug 2015, 13:17

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Hansa am Mi 29. Jun 2016, 16:42

Hier einmal ein interessanter und sehr deutlicher Kommentar von Matthias Weik und Marc Friedrich, den Bestsellerautoren zur Wirtschaftspolitik, vom 27.06.2016:

Der Anfang vom Ende der EU und des Euros

Es ist passiert - die Briten haben dem Bürokratiemonster EU mit seinen offensichtlich völlig weltfremden Kommissaren die rote Karte gezeigt. Entgegen vieler Prognosen und trotz einer immensen Angstkampagne der EU-Befürworter haben sich die Briten anders entschieden und somit Schockwellen in die ganze Welt gesendet. Nicht nur ins politische Establishment sondern auch an die Finanzmärkte von Japan bis Chile.

Dieses "Black Swan" Ereignis hat so manchen Politiker auf dem falschen Fuss erwischt. Die Reaktionen waren drastisch, ja fast schon beleidigt - man war wohl zu siegessicher. Erst wollte man die Briten nicht gehen lassen und nun will man sie so schnell wie möglich los werden - am liebsten schon gestern.

Die Strategie der Angstmacher ist nicht aufgegangen. Die Briten haben sich nicht einschüchtern lassen, sondern haben sich gegen die EU und für mehr Selbstbestimmung entschieden. Auch wenn es offensichtlich zahlreichen Politikern nicht passt ist diese demokratische Entscheidung des britischen Volkes zu akzeptieren - so funktioniert nun mal Demokratie. Erschreckend ist das Demokratieverständnis einiger Politiker wenn zum Beispiel Volker Kauder (CDU) die britische Regierung mit der Aussage kritisiert: "In Deutschland wäre eine solche Entscheidung nicht möglich."

Im Gegensatz zum allgemeinen Tenor, der von einem traurigen und schwarzen Tag für Europa spricht, sehen wir es positiv. Es ist ein guter Tag für die Menschen, für die direkte Demokratie und wir sind davon überzeugt auch für Europa. Gerade wenn man die Bürger Europas wieder in die demokratischen Entscheidungsprozesse mit aufnimmt, entzieht man extremen Kräften ihren Nährboden, entgegnet der gefährlichen Politikverdrossenheit und schafft ein Europa der Menschen, welche sich damit besser identifizieren können.

Was sind die Folgen des Brexits? Die EU verliert mit Großbritannien nach Deutschland und Frankreich den drittgrößten Nettozahler und ungefähr 20 Prozent ihrer Wirtschaftskraft sowie die zweitgrößte Volkswirtschaft, die drittgrößte Bevölkerung und das europäische Finanzzentrum London. Ferner wird die EU einen von zwei ständigen Sitzen im UN-Sicherheitsrat verlieren. Des Weiteren verliert die Regierung Merkel auch einen ihrer wichtigsten Verbündeten, einen Verfechter einer liberalen Wirtschaftspolitik. Zukünftig wird ein anderer Wind wehen und die Länder des Südens werden mehr europäische Ausgaben fordern. Es wird also teurer für uns.

Wie konnte es soweit kommen? Was sind die Ursachen für das Wahlergebnis? Vorab: Nicht Europa ist gescheitert sondern die EU mit ihrer Fassadendemokratie. Das ist ein meilenweiter und wichtiger Unterschied.

Verträge, an die sich längst niemand mehr hält

Eine EU der Institutionen, Elfenbeintürme und Bürokratien, eine EU der feudalen Kommissare, von denen sich viele Bürger Europas schon lange nicht mehr abgeholt fühlen. Ein aufgeblähter bürokratischer Wasserkopf, der die Bürger Milliarden kostet.

Die Europäische Kommission, die das einflussreichste Organ der EU ist, wird vom Europäischen Rat nominiert - und zwar unter Ausschluss der Öffentlichkeit! Zwar muss die Kommission vom Parlament bestätigt werden, was unter anderem die Gewaltenteilung sichern soll, doch wirkt das angesichts der schwachen Position, die das Parlament innehat, wie Hohn. Eine EU mit dem Präsidenten der Europäischen Kommission - der schelmische Luxemburger Jean-Claude Juncker - der sein Land zu einer riesigen Steueroase für Großkonzerne gemacht hat und uns jetzt etwas von Steuergerechtigkeit erzählt kann man nicht wirklich ernst nehmen.

Die Briten haben eine EU abgewählt, die von uns Bürgern zu Recht erwartet, dass wir uns an die Gesetze halten. Warum ist es jedoch legitim, dass Staaten, Regierungen und somit Politiker gegen Recht und Gesetz verstoßen dürfen - und das am laufenden Band ohne Konsequenzen? Seinen Anfang nahm dieses Gebaren bei den Maastrichter Verträgen von 1992. Das jährliche öffentliche Haushaltsdefizit (Neuverschuldung) darf 3 Prozent des BIP nicht überschreiten, und die Gesamtschulden der öffentlichen Hand dürfen nicht mehr als 60 Prozent des BIP ausmachen.

Inzwischen hält sich längst kein Land mehr an die Maastrichter Kriterien. Als erstes waren es übrigens wir, die Hand in Hand mit Frankreich das Fundament gestört haben, weil zwei sozialistische Parteien in beiden Ländern Wahlversprechen finanzieren mussten. Gleiches gilt auch für die sogenannte No-Bailout-Klausel (Kein Land haftet für die Schulden der anderen), die ebenfalls ein Teil des Maastricht-Vertrages ist und im Zuge der Krisen seit 2008 als alternativlos ad acta gelegt wurde.

Schlaraffenland der Bürokraten

Sie haben ein Schlaraffenland der EU-Bürokraten abgewählt, denn fiskalisch misst die EU mit zweierlei Maß. Auf der einen Seite geht sie massiv gegen Steuerschlupflöcher und Steueroasen vor. Für die eigenen Mitarbeiter hingegen gelten andere Regeln. Trotz besserer Bezahlung zahlen EU-Beamte nämlich wesentlich weniger Steuern als Beamte, die in Deutschland auf vergleichbaren Posten arbeiten.

Wie kann das sein? EU-Beamte unterliegen nicht den nationalen Steuersätzen. Statt an den deutschen Staat zahlen sie eine Gemeinschaftsteuer, die in den EU-Haushalt fließt. So zahlt ein alleinstehender Topverdiener an die EU etwa 25 Prozent des Bruttoeinkommens an Steuern. Wäre er nicht in Brüssel, sondern in Deutschland beschäftigt, hätte er satte 39 Prozent an das Finanzamt abzuführen.

In Sachen Bruttogehalt übertrumpfen selbst bescheidene Posten bei der EU das Salär unsere Kanzlerin - über 4.000 EU-Beamte verdienen mehr als sie. Annähernd so viel wie die Kanzlerin verdient beispielsweise ein Referatsleiter mit Personalverantwortung für eine Abteilung in der Größenordnung von ein paar Dutzend Mitarbeitern.

Da sich die EU ständig vergrößert, wurde mit dem Vertrag von Lissabon eine Reduzierung der Mitglieder der Europäischen Kommission beschlossen. Gekippt wurde das ehrenwerte Vorhaben aber schon wieder im Mai 2013. Seit dem Beitritt Kroatiens im Sommer 2013 zählt die Kommission 28 Mitglieder, die es jeweils auf ein Jahresgehalt in Höhe von 300.000 Euro bringen. Neben einem fünfköpfigen Kabinett nebst diversen Sekretären steht ihnen laut Bund der Steuerzahler ein Dienstwagen, der monatlich 2.000 Euro Leasing kosten darf, und ein Fahrer zu.

Zum üppigen Grundgehalt der EU-Parlamentarier kommen allerlei Zulagen - steuerfrei versteht sich - und Privilegien. So wird der Schulbesuch oder das Studium der Kinder mit monatlich 330 Euro bezuschusst und - je nach Grundgehalt - eine Haushaltszulage von 200 bis maximal 517 Euro gewährt.

Für Heimfahrten fällt Extraurlaub an. Entfernungen von 251 bis 600 Kilometern werden mit zwei Tagen vergütet; bei mehr als 2 000 Kilometern gibt es sechs Sonderurlaubstage. Für Beamte aus Portugal oder Griechenland ergeben sich somit 45 zusätzliche freie Tage im Jahr. Vielleicht war deshalb die Reaktion aus Brüssel dermaßen empört, weil den Sonnenkönigen Angst und Bange wird um ihre Privilegien und fürstlichen Pensionen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, bis in den Niederlanden, Finnland, Schweden, Italien, Dänemark und Frankreich das Verlangen nach einer Abstimmung über den Verbleib immer größer werden wird. Spätestens wenn sich die französische Bevölkerung gegen die EU entscheidet ist es vorbei mit dem Kunstprojekt EU und seinem Währungsexperiment Euro.

Dass dies geschieht, ist keinesfalls abwegig. Die französische Wirtschaft kommt nicht in die Gänge. Die Industrieproduktion des Landes befindet sich auf dem Niveau von 1994 und die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor insbesondere unter den Jugendlichen sehr hoch. Fakt ist: Frankreich, aber auch Italien, Spanien, Portugal, Griechenland haben eine Rekordverschuldung - und es geht ihnen heute unter dem Euro (welcher für diese Länder viel zu stark und für uns viel zu schwach ist) schlechter als unter ihren eigenen Währungen.

Starke Wirtschaftsunion statt einer politischen Union

Wie viele Beweise benötigen die Damen und Herren in Brüssel noch, dass der Euro nicht funktioniert und Zwiespalt statt Einheit bringt? Aus diesen Gründen ist es keinesfalls überraschend, dass politische Extremisten und Separatisten jeglicher Couleur auf dem Vormarsch sind.

Der Brexit war der Anfang vom Ende der EU und des Euros. Die Zerfallserscheinungen sind nicht mehr zu übersehen. Man kann nur hoffen, dass die Protagonisten den Warnschuss gehört haben und endlich die längst überfälligen und notwendigen Veränderungen durchführen.

Wir benötigen keine politische und keine Währungsunion sondern eine starke Wirtschaftsunion. Europa als Friedensprojekt und Gemeinschaft ist nicht gescheitert - ganz im Gegenteil! Wenn jetzt die richtigen Lehren aus dem Scheitern der EU und den Wünschen der Menschen eingegangen wird, kann ein kerngesundes Fundament für die Zukunft aufgebaut werden.

Werden heute nicht aus dieser Entscheidung des britischen Volkes die richtigen Konsequenzen gezogen und wird von den Politikern nicht erkannt, dass der Euro unseren Wohlstand peu a peu auffrisst und Europa trennt anstatt es zu einen und dass die irrsinnige Politik der Europäischen Zentralbank sich gegen die Menschen richtet, dann wird die EU, aber auch die europäische Idee gnadenlos scheitern. Das gilt es zu verhindern und ist unsere bürgerliche Pflicht. Es ist mehr denn je Zeit für Realismus und nicht für Pessimismus. Wir hoffen, dass der heilsame Schock nun die wichtigen und überfälligen Veränderungen initiiert.
Hansa
 
Beiträge: 70
Registriert: Di 2. Dez 2008, 15:35

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon admin am Do 30. Jun 2016, 07:38

Guten Morgen, liebe Foristi.

Es ist richtig, dass Matthias Weik und Marc Friedrich Bestsellerautoren bei makroökonomischen Prozessen sind. Trotz alledem sollten wir im Forum schauen, dass wir unserer eigenen Verpflichtung nachkommen und nicht einseitig berichten. Es gehört zur Seriosität unseres Forums, dass wir versuchen, ausgewogen Stellung zu nehmen. Das bedeutet nicht, dass wir gern auch abweichend zur Berichterstattung der Presse unsere Meinungen darstellen können. Beim Thema EU mahne ich zur Vorsicht, bei der Wahl der Zitate, die hier angewandt werden. So ganz kommentarlos sollten wir die "Bestseller" nicht stehen lassen.

Ich freue mich auf Eure rege Diskussion.

Admin
admin
Administrator
 
Beiträge: 22
Registriert: Mo 25. Aug 2008, 16:22
Wohnort: Sachsen

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Heinze am Di 12. Jul 2016, 12:32

Es ist richtig @Peter!

Die Vermutungen einiger weniger "Nicht-Realisten" gehen fehl. GB wird die EU verlassen. Die Gründe hierfür sind vielfältig und wurden von Dir bereits bildhaft benannt.

Der FOKUS von heute hat Deine Meinung bestärkt und selbst die Kanzlerin macht nunmehr eine Wende und Drück zum Austritt. Die Ernüchterung ist eingetreten:

"Die britische Politikerin Theresa May wird als neue Premierministerin ihr Land aus der EU führen. "Brexit bedeutet Brexit - und wir werden einen Erfolg daraus machen", sagte sie am Montagabend in London.

Kurz zuvor hatte Noch-Premier David Cameron seinen Rücktritt für Mittwoch angekündigt - unmittelbar danach solle May die Regierung übernehmen. "Wir werden ein besseres Britannien bauen", versprach die 59-jährige bisherige Innenministerin weiter. Das Land müsse geeint werden.

May hatte während des Brexit-Wahlkampfs für den Verbleib in der EU plädiert, sich aber mit ihrer Meinung geschickt zurückgehalten - jetzt präsentiert sie sich als Versöhnerin, die die tief zerstrittene Partei einigen könne.

Mit Spannung wird in London erwartet, ob May prominente Brexit-Wortführer in ihr Kabinett holen will - etwa Justizminister Michael Gove, der auch Ambitionen auf den Premierposten hatte. Laut BBC könnte May bereits Donnerstag oder Freitag ihre Regierungsmannschaft vorstellen.

Bereits kürzlich hatte May signalisiert, sich mit offiziellen EU-Austrittsverhandlungen Zeit zu lassen. Sie werde den Antrag auf Austritt aus der Europäischen Union nicht vor Jahresende stellen - zum Ärger der EU-Staaten, die eine schnelle Lösung wollen. May tritt auch für Änderungen beim Thema Einwanderung ein - sie gilt in der Frage als Hardlinerin.

Der Führungswechsel an der Spitze der Konservativen Partei und der Regierung vollzieht sich damit deutlich schneller als geplant. Dies wurde möglich durch den unerwarteten Verzicht von Mays Konkurrentin, Energie-Staatssekretärin Andrea Leadsom. Ursprünglich war geplant, dass beide zu einer Urwahl der Tory-Basis antreten.

Bereits am Montagabend wählte das zuständige Tory-Gremium May zur Parteichefin. Cameron leitet an diesem Dienstag seine letzte Kabinettssitzung, am Mittwoch stellt er sich nochmals in einer Fragestunde dem Unterhaus, danach reicht er bei Königin Elizabeth II. seinen Rücktritt ein - was als Formsache gilt.

London lehnt zweites EU-Referendum ab !

Die britische Regierung lehnt ein zweites Brexit-Referendum ab. Sie wies damit die Forderung einer Online-Petition zurück, bei der über vier Millionen Menschen für eine erneute Abstimmung plädierten. Das Außenministerium teilte am Samstag mit, das Votum vom 23. Juni müsse respektiert und umgesetzt werden.

Es habe sich um das "größte demokratische Unternehmen der britischen Geschichte" gehandelt, an dem 33 Millionen Wähler teilgenommen hätten, heißt es unter Verweis auf Premierminister David Cameron. Das Referendum sei nach ausführlicher Prüfung von beiden Parlamentskammern beschlossen worden, betonte das Ministerium weiter. Cameron und die Regierung hätten klargestellt, dass es sich um eine einmalige Entscheidung einer ganzen Generation handele.
Heinze
 
Beiträge: 137
Registriert: Do 28. Aug 2008, 09:36

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am Di 12. Jul 2016, 12:41

Ja, es wird leider alles noch viel schlimmer. Ich habe Euch einmal eine Kolumne von Handrik Müller eingestellt, die der Spiegel aktuell veröffentlicht hat:

"Der offizielle Sound der EU klingt schön harmonisch. Man sei dabei, "feste Grundlagen für die Gestalt des zuküftigen Europas zu schaffen", selbstverständlich getragen vom festen Willen, die "Teilung des europäischen Kontinents" zu überwinden. Man wünscht sich "Solidarität" zwischen den "Völkern unter Achtung ihrer Geschichte". Salbungsvolle Worte, historisch dimensioniert - so beginnt der Vertrag von Lissabon, die derzeitige Verfassung der EU.

Die Realität hat damit nicht viel zu tun.

Die EU-Staaten und die Brüsseler Institutionen liegen miteinander im Clinch. Einige Regierungen hebeln die europäischen Verträge aus: Berlin macht der EU-Ebene die alleinige Kompetenz in der Handelspolitik streitig, Warschau lässt Zweifel daran aufkommen, dass es in Polen künftig noch rechtstaatlich zugeht. Volksabstimmungen kommen in Mode, um europäische Politik zu stoppen, in den Niederlanden, in Großbritannien, demnächst in Ungarn. Die Liste ließe sich verlängern.

Auch zwischen den Mitgliedstaaten schwelen diverse Konflikte. Sanktionen werden angedroht und vermutlich auch verhängt. Eine Logik von Abschreckung und Vergeltung hat sich breitgemacht, welche die Beziehungen vergiftet.

All das klingt nicht nach Harmonie, sondern nach heftigen Dissonanzen. Es sieht so aus, als ob das europäische Konzert in lautem Lärm endet.

Symptomatisch, dass der Rat der Wirtschafts- und Finanzminister voraussichtlich diese Woche erstmals in der EU-Geschichte Geldbußen gegen Mitgliedstaaten verhängen wird. Weil Spanien und Portugal immer noch Staatsdefizite von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung verzeichnen, schlägt die EU-Kommission vor, sie zu bestrafen.

Darüber entscheiden am Dienstag die Minister aus den übrigen Eurostaaten; die beiden iberischen Kollegen dürfen nicht mitstimmen. Schon in wenigen Wochen könnten ihnen die Bußgeldbescheide zugehen: bis zu 24 Milliarden Euro für Spanien, bis zu vier Milliarden für Portugal. Happige Strafen für die beiden krisengebeutelten Länder.

Es stimmt schon: Alle Euromitgliedstaaten haben dem Stabilitäts- und Wachstumspakt vor zwei Jahrzehnten zugestimmt. Vor vier Jahren haben sie ihn noch mal deutlich verschärft, übrigens auf Druck der Bundesregierung.

Doch in einer Zeit, in der nach dem Brexit-Referendum die Fliehkräfte in der EU stärker werden, passen Sanktionen so gar nicht in die Landschaft. Wie so häufig in Europa sind langfristige wirtschaftliche Notwendigkeiten und unmittelbare politische Möglichkeiten kaum kompatibel.

Strafen bis es knallt

In Spanien hat die lange ökonomische Durststrecke der vergangenen Jahre das politische System destabilisiert. Seit einem halben Jahr gelingt es den Parteien in Madrid nicht, eine Regierung zu bilden. Eine weitere Wahl vor wenigen Wochen hat wieder keine tragfähige Mehrheit hervorgebracht. In Portugal ist die innenpolitische Konstellation ebenfalls fragil; in Lissabon regiert eine Minderheitsregierung.

Diese Länder nun mit Strafen zu bedrohen, grenzt an mutwillige Bürgerverschreckung in bislang europafreundlichen Nationen.

Doch die EU-Logik ist unerbittlich: Nur wenn die Regeln eisenhart durchgesetzt werden, lasse sich ihre Einhaltung auf Dauer sicherstellen. Exempel müssten statuiert werden. Sonst laufe der ganze Laden auseinander. Politische Kollateralschäden werden ausgeblendet - bis es knallt.

Quer durch die Politikbereiche zieht sich das Muster aus Sanktionen und Abschreckung. Osteuropäische Länder, die sich nicht an der neuen Flüchtlingspolitik der EU beteiligen wollten, wurde der Entzug von Brüsseler Subventionen angedroht. So stärkt man die Position nationalgewirkter Populisten.

In Italien sitzen die notleidenden Banken auf Hunderten Milliarden fauler Krediten. Premier Matteo Renzi will sie mit Staatsgeldern sanieren, so wie es andere Länder getan haben. Doch zwischenzeitlich hat sich die EU neue Regeln gegeben: Wegen der Bankenunion müssen nun zuerst private Gläubiger zur Kasse gebeten werden, nicht die Steuerzahler. Die EU-Kommission und auch Kanzlerin Angela Merkel pochen auf strikte Einhaltung der Regeln. Was im Prinzip richtig ist.

Doch in Italien droht ein politisches Fiasko: Eine Bankenrettung auf Kosten von Kleinsparern könnte Renzi die Macht kosten; im Herbst findet ein Referendum über eine Verfassungsreform statt, an das der Premier seine politische Zukunft geknüpft hat. Nachfolger könnte der Linkspopulist Beppe Grillo werden, dessen Fünf-Sterne-Bewegung derzeit in den Umfragen führt - und der bereits angekündigt hat, er wolle die Italiener per Volksabstimmung über einen Euro-Austritt abstimmen lassen.

Deutschland wäre wohl längst zerbrochen

Auch Großbritannien darf kein Pardon erwarten. Harte Verhandlungen, keine Vorteile, so tönt es aus Brüssel und Paris. Wer aussteigt, muss leiden. Das Kalkül: Damit das britische Beispiel keine Schule macht, sollen andere Länder vorgeführt bekommen, wie sehr ein Exit ökonomisch schadet. Dass eine solche Strategie die politischen Verhältnisse in Europa weiter vergiftet, nimmt die EU billigend in Kauf. Nebenbei bemerkt: Wladimir Putins Russland, das nur zu gern Keile zwischen die westlichen Länder treibt, bieten sich immer mehr Angriffsflächen. Der Westen zerlegt sich selbst.

Europa in seiner derzeitigen Verfassung funktioniert nicht. Man stelle sich einen Moment vor, innerhalb Deutschlands würden die Regierungen der Bundesländer einander permanent gegenseitig mit Sanktionen drohen. Die Bundesrepublik wäre vermutlich längst zerbrochen.

Ganz grundsätzlich: Staaten sind dazu da, Gesellschaften zu befrieden. Auch die EU wurde gegründet, um Europas Nationen zu versöhnen. Der gemeinsame Regelungsbedarf ist inzwischen hoch, die Macht aber bleibt zersplittert. Nach wie vor sind die Mitgliedstaaten die entscheidenden Akteure. Was fehlt, ist eine übergeordnete europäische Ebene. Das ist Europas Dilemma. Die Staaten geraten gegeneinander in Stellung. Die zunehmende Renationalisierung der Politik verschärft die Situation weiter:

Die Folge ist ein Streit aller gegen alle. Wir erleben es gerade. Und es ist niemand da, der daran ernsthaft etwas ändern wollte."

Ich halte die kurze Analyse schon für zutreffend.

Die EU und auch Deutschland kommen mir z. Z. vor, wie das Kaninchen vor der Schlange. Mit "weiter so" wird wohl das schlimmste nicht auszuschließen sein. Ich glaube nicht mehr an eine geordnete "Abwicklung" Europas und den Euro. Wir werden uns war anziehen müssen.
Peter
 
Beiträge: 77
Registriert: Di 25. Aug 2015, 13:17

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Heinze am Mi 20. Jul 2016, 12:16

Kein Tag vergeht, ohne dass keine Katastrophe eintritt, die Europa und die Welt in den Abgrund stürzen kann. Kein Mittel wird mehr ausgelassen, um die eigenen wirtschaftlichen und politischen Interessen durchzusetzen. Wenn erforderlich, auch mit militärischer Gewalt. Die Türkei ist nun das jüngste Beispiel dafür.

Verfolgt man die Reaktionen der amerikanischen und anderer Regierungen auf den gescheiterten Putsch in der Türkei, kann es kaum Zweifel geben, dass die Putschisten auch außerhalb ihres Landes Unterstützung erhielten.

Washington ließ sich viel Zeit, bis der Putsch in knappen Worten verurteilt wurde. Auch dort äußerte man sich erst eindeutig, als das Scheitern der Putschisten bereits besiegelt war. Als erster hatte sich in der Putschnacht der amerikanische Außenminister John Kerry aus Moskau zu Wort gemeldet. Zu diesem Zeitpunkt sah es noch so aus, als könnte der Putsch Erfolg haben. Deshalb vermied es Kerry, sich festzulegen. Er rief zunächst nur allgemein zur „Stabilität und Kontinuität in der Türkei“ auf und ließ sich alle Optionen offen. Erst nachdem Erdogan die Bevölkerung zum Widerstand aufgerufen und sich die Lage gewendet hatte, sprachen sich Kerry und dann auch Präsident Obama für die Unterstützung der „demokratisch gewählten Regierung der Türkei“ aus.

Man hätte erwarten können, dass ein bewaffneter Umsturzversuch aus den Reihen der zweitgrößten Nato-Armee, mit der die amerikanischen Streitkräfte in der Kommandostruktur der NATO täglich zusammenarbeiten, eine Flut von Verurteilungen, Kommentaren und Debatten auslösen würde. Doch zunächst geschah nichts und man wartete ab, ob der Putsch gelingt.

Es ist im Übrigen auch nicht möglich, dass türkische Offiziere den Putsch mit ausgiebigem militärischen Gerät, Flugzeugen, Hubschraubern und Panzern ohne Unterstützung von amerikanischer und NATO - Seite, sowie den ausländischen Geheimdiensten unentdeckt vorbereiten und ausführen konnten. Auf der NATO-Militärbasis-Incirlik wurden z. B. Flugzeuge und Hubschrauber der Putschisten aufgetankt und die "Marschbefehle" gegeben. Jeder, der ein wenig Grundwissen über den Einsatz von Militärtechnik besitzt weiß, was u. a. auf der NATO-Basis-Incirlik stattgefunden haben muss, dass ein Start und der folgende Angriff auf zivile Ziele überhaupt möglich wurde. Nicht umsonst wurde deshalb die Nato Basis von der Türkischen Armee abgeriegelt und der Luftraum gesperrt. Die dort vorgenommenen Verhaftungen von hohen Militärs sind bekannt. Ein weiterer Kommentar erübrigt sich deshalb.

Zwischen der Regierung von Präsident Erdogan und Washington haben sich nicht nur in jüngster Zeit zahlreiche Spannungen entwickelt. Das zur Kurdenfrage, den Syrienkrieg und die jüngste Annährung der Türkei an Russland. Die Putschisten und ihre internationalen Unterstützer hatten sich offenbar verrechnet. Der Putsch lief schief. Es wurde die öffentliche Unterstützung unterschätzt, die Erdogan doch noch mobilisieren konnte.

Wäre der Putsch erfolgreich verlaufen, hätten ihn Washington und viele EU-Länder offen unterstützt. Genau so, wie man sich vor drei Jahren hinter den Umsturz in der Ukraine und den blutigen Putsch in Ägypten stellte. Säße Erdogan jetzt wie der ehemalige ägyptische Präsident Mohammed Mursi, der ebenfalls demokratisch gewählt worden war, im Gefängnis, hätte man keine demokratischen Skrupel. Das Argument der Demokratie wird offensichtlich immer dann eingesetzt, wenn es in das politische Kalkül passt. Jeder will dann im Übrigen auch immer auf der Seite der Sieger stehen.

Die Politiker warnen nun die türkische Regierung vor „Rache, Willkür und Machtmissbrauch“ und mahnen zur Einhaltung „rechtstaatlicher und demokratischer Grundsätze“. US-Außenminister John Kerry drohte der Türkei am Montag mit dem Verlust ihrer Nato-Mitgliedschaft, sollte sie weiter gegen politische Gegner vorgehen. Die EU droht mit dem Ende der Beitrittsverhandlungen.

Eine zweifelhafte Rolle spielen in dieser Kampagne die Medien, die z. T. kein Geheimnis aus ihrer Sympathie für die Putschisten machen.

So stellt "Die Welt" ganz unverblümt die Frage: „Ist es nicht so, dass man den Putschisten nur einen Vorwurf machen kann: nämlich ihr Scheitern?“ Die "Welt am Sonntag" wirft den Putschoffizieren ihr dilettantisches Vorgehen vor, das ihnen einen führenden Platz „aus der Top-Ten-Liste der ungeschicktesten Umsturzversuche“ eingebracht habe. Der Artikel endet mit der Hoffnung auf einen weiteren Putsch: „Wenn Erdogan seine islamische Präsidialdemokratur erst einmal fest installiert hat, könnte es passieren, dass diejenigen, die gestern den Panzern den Weg versperrten, sich irgendwann ein pragmatisches Militär-Interregnum herbeiwünschen, das die kemalistische Demokratie wieder herstellt.“

Was soll aus den Presseveröffentlichungen geschlossen werden? „Der Putschversuch ist zwar niedergeschlagen. Die Unzufriedenheit in weiten Teilen der Armee und der Gendarmerie, die außerhalb der großen Städte für die öffentliche Sicherheit sorgen soll, bleibt aber bestehen.“

Andere Artikel werfen Erdogan sogar vor, er habe den Putsch inszeniert, um einen Vorwand für die Errichtung einer persönlichen Diktatur zu haben.

Die der deutschen Linkspartei nahestehende "Junge Welt" bezeichnet den Putsch als mögliche „Inszenierung Erdogans, als eine Art türkischen Reichstagsbrand“. Der versuchte Putsch sei „eine weitere Etappe des von langer Hand geplanten Staatsstreichs Erdogans“. Meine Meinung dazu: Dümmer geht es nimmer.

Tatsächlich stecken doch ganz offensichtlich Politiker wie Kerry und viele andere dahinter, die rücksichtslos ihre politischen und wirtschaftlichen Interessen ihrer Staaten vertreten. Welche Risiken sie dabei heute für die Menschheit eingehen, zeigt unter anderem der Umstand, dass auf der NATO-Militärbasis-Incirlik, einem der Zentren der Putschisten, 50 amerikanische Atomsprengköpfe lagern. Ich frage mich, welche Mittel in Zukunft noch legitim sein werden.

Ich hoffe aber, dass die Vernunft der Politiker zukünftig zunimmt. Denn mit der Brechstange geht es offensichtlich auch nicht weiter.
Heinze
 
Beiträge: 137
Registriert: Do 28. Aug 2008, 09:36

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am Do 11. Aug 2016, 15:55

Türkei - Zweifel an Nato und EU wachsen in der Bevölkerung stark.

Auch der türkische Außenminister äußert nunmehr Zweifel an der weiteren Zusammenarbeit mit dem Westen. Er meint: Die Nato verhindere bewusst die Installation eines Raketenabwehr-Systems in der Türkei. Gleichwohl habe die EU die Türkei bei der Frage der Mitgliedschaft über Jahre hingehalten und zuletzt im Flüchtlingsabkommen werden die Verträge nicht eingehalten. Auf die EU sei auch ansonsten kein Verlass.

Der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu hat nach dem Treffen zwischen Erdogan und Putin gesagt, dass die Türkei von der Nato nicht die nötige Unterstützung erhalte. Haberturk zitiert Cavusoglu: „Ok. Wir befinden uns im militärisch-industriellen Sektor im Nato-Lager. Wir kennen unsere Verantwortung. Während uns die PKK und ISIS angreifen hält sich die Nato heraus. Wir sagen, dass das Luftabwehrsystem die gesamte Türkei umfassen muss, aber dies wird nicht umgesetzt. Es gibt keinen Technologietransfer. Die Nato hält sich von diesen Fragen fern, also muss die Türkei sich anderweitig umschauen. Die Türkei muss ihre Sicherheit eigenständig garantieren. Die Nato verhindert, dass wir uns mit einem Luftabwehrsystem eindecken. Es wird uns verboten, von dem einen oder anderen Staat ein Luftabwehrsystem zu besorgen. Das geht nicht. Die Türkei wird genau wie in der Außenpolitik ihren eigenen Weg gehen und keiner wird dies verhindern können.“

Zu den Beziehungen mit der EU sagte der Außenminister konkret: „Der Westen hat im Verlauf des Putschversuchs gezeigt, ob er es ehrlich meint. Wir haben gesehen, ob der Westen ein wahrer Freund ist oder nicht. In Europa gibt es Stimmen die einen Stopp der Beitrittsverhandlungen fordern. Und dann kommen sie an und meinen, dass der Ton gemäßigt werden müsse. An einem Tag, der kritisch für die Türkei gewesen ist, wollten sie einen Schlag gegen unser Land ausführen. Sie betrauern das Scheitern des Putsches und behaupten, dass wir gegen uns selbst geputscht hätten. Zwei von drei türkischen Bürgern wollen die Beziehungen mit der EU aus Eis legen. Wir haben uns wirklich sehr viel Mühe gegeben, um ein EU-Mitglied zu werden. Doch wir hatten es mit zahlreichen Hindernissen zu tun. Wenn der Westen die Türkei verliert und die Türkei nun gute Beziehungen mit Russland und China aufbaut, dann hat der Westen die Türkei aus eigenem Verschulden heraus verloren. Sie haben bereits die Ukraine verloren und können das Land nicht zurückgewinnen. In der Frage des Putschversuchs in der Türkei ist der Westen sitzengeblieben. Sie kritisieren, warum wir so viele Staatsanwälte suspendieren. Was sollen wir denn machen? Darauf warten, dass sie einen neuen Putsch organisieren? Als es in Deutschland zur Wiedervereinigung kam, wurden hunderttausende Beamte aus dem Staatsdienst entlassen. In der türkischen Gesellschaft gibt es kein Vertrauen gegenüber der EU. Das Vertrauen liegt bei etwa 20 Prozent. Zuvor war es um die 50 Prozent. Der Grund dafür ist, dass Europa die Putschisten ermutigt hat.“
Peter
 
Beiträge: 77
Registriert: Di 25. Aug 2015, 13:17

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am Do 11. Aug 2016, 16:15

Mehr noch ... denn Erdogan beschuldigt Westen der Mitwirkung am Putsch

Nach den jüngsten türkischen Medienberichten soll die NATO-Geheimarmee Gladio der strukturelle Urheber des Putschversuchs vom 15. Juli sein. Erdogan und die türkische Regierung seien entschlossen, diese Parallelstruktur vollständig zu zerschlagen - meldet dpa.

Nach den türkischen Medienberichten soll es in der Türkei eine nach wie vor aktive Gladio-Struktur der NATO geben, die vor allem von den Briten und US-Amerikanern genutzt wird, um Einfluss auf das politische Geschehen in der Türkei zu nehmen. Die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen soll lediglich ein Arm dieser Struktur sein. Wie der türkische Journalist Özcan Tikit berichtet, wird sich die türkische Regierung nicht ausschließlich auf die Gülen-Bewegung als Urheber des Putschversuchs vom 15. Juli versteifen. Der Putschversuch würde erst dann einen internationalen Sinn ergeben, wenn man einen genaueren Blick auf die Gladio-Struktur in der Türkei wirft. „Wenn erneut ein Vertrauensverhältnis mit den westlichen Insitutionen geschaffen werden soll, muss Gladio in der Türkei – wie dies bereits in mehreren westlichen Staaten geschehen ist – aus dem Weg geräumt werden“, so Tikit in seinem Beitrag von Habertürk.

Die Webseite OdaTV stuft den Putschversuch ebenfalls als Gladio-Werk ein, zu dem die Gülen-Bewegung gehöre. Dieses NATO-Netzwerk sei verantwortlich für zahlreiche politische Morde, die in den vergangenen Jahrzehnten in der Türkei verübt wurden. In diesem Zusammenhang dürfe die Kampagne gegen Erdogan, die im Westen stattfinde, nicht als Ausdruck demokratischer Interessen gewertet werden.

So behauptete der Abgeordnete der pro-kurdischen HDP, Ertugrul Kürkcü, bereits im vergangenen Jahr, dass hinter dem Attentat auf den kurdischen Anwalt Tahir Elci Gladio stecke, so berichtete T24.

Erdogan sei entschlossen, Gladio in seinem Land zu zerschlagen. Denn er habe – wenn auch verspätet – gemerkt, dass die NATO die territoriale Integrität der Türkei beschädigen will.

Die Zeitung Milliyet berichtet, dass die USA unter anderem in Lateinamerika diverse Diktaturen mit einer halboffiziellen militärisch-paramilitärischen Gladio-Struktur am Leben gehalten habe. Dieses Konzept findet eine weltweite Anwendung. Allerdings sei das schlussendliche Ziel, die Türkei wirtschaftlich zu kontrollieren.

Der ehemalige Chef des türkischen Polizeigeheimdiensts, Bülent Orakoglu, sagte dazu: "dass Gladio auch und vor allem in Europa aktiv sei. Zwischen den USA und der EU tobe ein Wirtschaftskrieg. Die Entscheidung der Briten hat die EU an den Rand eines Zusammenbruchs gebracht. Die Anschläge in Frankreich stehen im direkten Zusammenhang mit der EU-Frage. Es gibt eine Kraft, die die EU auflösen will. Diese Kraft ist eine neue Form von Gladio, die ihre Operationen unter der Bevölkerung ausübt. Ich bin der Auffassung, dass es in Europa eine Gladio-Struktur gibt, die auf die Auflösung der EU hinarbeitet“, zitiert Ajans Haber Orakoglu.
Peter
 
Beiträge: 77
Registriert: Di 25. Aug 2015, 13:17

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Grünrock am Fr 12. Aug 2016, 14:02

@ Peter.
OK, da hast Du sicher sehr intensiv recherchiert. Trotzdem halte ich die Recherche für etwas einseitig. Es mag schon sein, dass eine Reihe von Euroländern und auch die USA mit der Türkei nicht wenig Probleme haben und sich ganz offen in den Medien auch eine neue Türkische Führung gewünscht wurde. Da liegt es nahe, mal zu schauen, wer da Interessen an einem Militärputsch hegen konnte. Sicher die USA und auch Deutschland war mit der Politik der Türken nicht immer einverstanden.
Aber da gleich eine Mitwisser- und Mittäterschaft zu konstruieren, scheint mir schon etwas schwierig.
Grünrock
 
Beiträge: 131
Registriert: Mo 1. Sep 2008, 10:41
Wohnort: Chemnitz

Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am Fr 12. Aug 2016, 14:07

@ Grüner...Rock!
Mir erscheint aber auch so manche Medienberichterstattung über die Türkei sehr, sehr einseitig. Ich habe lediglich einmal ausländische Medien zitiert. Weiter nichts! Leider stehen diese Medienberichte manchmal im krassen Gegensatz zu der hiesigen.
Auffällig ist das schon, wenn im europäischem Ausland anders gedacht und anders berichtet wird, wie bei uns. Ich erlebe z. Z. eine förmliche "Gleichschaltung" der Medien. Für richtig halte ich das nicht. Und zu was das führen kann, zeigt die Deutsche Geschichte, sehr anschaulich.
Tut mir leid, dass so sagen zu müssen.
Peter
 
Beiträge: 77
Registriert: Di 25. Aug 2015, 13:17

VorherigeNächste

Zurück zu Finanzkrise und Rezession

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 1 Gast

cron