Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon jop am So 13. Mär 2016, 17:59

Hallo Foristi, ich habe mir einmal WIKIPEDIA als Ansatz herausgegriffen und den dortigen theoretischen Ansatz auf die geldpolitische "REAKTION" auf eine "Nullzinspolitik" einmal angeschaut:

Geldpolitische Reaktion zur Nullzinspolitik:

„Klassische Deflationen“ in Form von massivem Preisverfall über breite Güter- und Dienstleistungsangebote hinweg hatten z. B. in der Weltwirtschaftskrise um 1930 eine starke Tendenz zu einer gewissen Dauerhaftigkeit. Litt ein Land einmal unter einer deflationären Phase, so war die Gefahr einer selbsterhaltenden bzw. sogar selbstverstärkenden Tendenz sehr groß: Sinkende Preise und Einkommen führten zu einer merklichen Kaufzurückhaltung der Konsumenten, da diese mit weiter sinkenden Preisen bzw. Einkommen rechneten. Die sinkende Nachfrage wiederum bewirkte eine niedrigere Auslastung der Produktionskapazitäten oder gar Insolvenzen und damit weiter sinkende Preise und Einkommen. Aufgrund der negativen Auswirkungen auf die Gläubiger, z. B. Banken, schränken diese ihre Kreditvergabe ein, was die Geldmenge vermindert und Wirtschaftswachstum erschwert. Diesen Kreislauf bezeichnet man im Allgemeinen als Deflationsspirale.
Seit dem Aufkommen keynesianischer und monetaristischer Theorie gilt Deflation als verhinderbar. So geht z.B. Ben Bernanke davon aus, dass eine Deflation durch geldpolitische und fiskalpolitische Maßnahmen, notfalls auch durch Quantitative Lockerung schnell beendet werden kann. Im Rahmen der Finanzkrise ab 2007 wurde eine „Gefahr der Deflation“ gesehen. In Japan ist seit den 1990er Jahren ein rückläufiges Preisniveau zu beobachten. "


Soweit zur Theorie des Keynesianismus. Nur fehlt mir der Glaube daran, dass das funktioniert. Hat diese Steuerung denn die Krise ab 2006 verhindert? Hat die lockere Geldpolitik denn die Inflation bisher wirkungsvoll verstärkt und eine Deflation verhindert? Nein. Geldpolitik getrennt von der Wirtschaftspolitik kann nicht funktionieren. Die 0,0 Zinspolitik wird die Probleme verstärken. Rendite ist mit Geldanlage auch für die großen Wirtschaftsschiffe nicht mehr drin. Also wird man in die bereits bestehende Überproduktion finanzieren und in den Gütern/Waren den Gewinn "einlagern", bis man diese verkaufen kann. Das auf Teufel komm heraus. Auch wenn man ganze Volkswirtschaften um uns herum kaputt macht, um dorthin zu exportieren und die Überproduktion der Waren mit eigelagerter Rendite abzusetzen. Prof. Werner Sinn (siehe oben) spricht schon davon, dass man eben zur Beseitigung der bestehenden Weltwirtschaftskrise einigen Ländern mal den "Hahn abdrehen" muss und diese in eine "geordnete" Insolvenz laufen lassen sollte. Das liefe aber darauf hinaus, dass immer weniger solvente Länder für immer mehr insolvente Länder die Waren produzieren um den großen Knall der Krise am "schwarzen Freitag" zu verhindern. Hoffentlich lassen sich das Italien und andere Länder dann auch gefallen und die Menschen in Italien kommen nicht als Flüchtlinge nach Deutschland und wollen Arbeit. Grenzen dicht nach Italien, Spanien, Frankreich, Polen ....??? Geht nicht! Dann ist die EU am Ende. Es wird jeder nur um sein eigenes "Leben" kämpfen und nicht um die EU. Eine solche Frontenbildung entwickelt sich in der EU bereits (Exportweltmeister gegen Importweltmeister, Süd gegen Nord, Ost gegen West, armes Land gegen reiches Land, Insel gegen Festland).

Dann wird man auch in Betongold investieren, soweit noch möglich. Weil es steht die Frage, wohin mit dem Rest der Rendite, was nicht in die Güterproduktion floss? Dabei ist man schon so weit, wie vormals in den USA, denn Geld gibt es auch für den, der sich das Haus eigentlich niemals leisten könnte. Herzlichen Glückwunsch an die Bauindustrie, aber das Glück wird nur von kurzer Dauer sein. Wir schaffen also neben dem Desaster der Überproduktion und dem Preisverfall auch noch eine gewaltige Immobilienblase. Das zusammen und nicht zu vergessen, die Flüchtlingskrise schafft nach meiner Meinung sehr bald eine sehr explosive Masse.

Um nun den Bogen zur Deflation zu schließen. Deflationäre Entwicklungen haben wir in vielen Ländern der EU bereits. Polen führt hier das Feld an und sitzt im Januar 2016 mit -1,7 % Inflationsrate ganz dick in der Deflation. Das gefolgt von Rumänien mit -1,5, Zypern mit 1,1, Spanien 0,4. Die EU hatte im Januar 2016 nur noch eine Inflationsrate von 0,2% insgesamt. Auch Deutschland wäre im Februar d. J. fast in die Deflation abgerutscht und liegt gegenwärtig bei 0,0 % Inflationsrate. Eine anhaltende Deflation im Euroraum wird u. U. schlimme Folgen haben. Dazu braucht es aber gesunden Wachstums der Volkswirtschaften. Allein finanzpolitische Hebel reichen hier nicht.

Warum ist das wahrscheinlich so: Der Begriff Inflation stammt aus der Volkswirtschaftslehre und bezeichnet einen Anstieg der Verbraucherpreise. Der Preisanstieg kann z. B. durch eine Veränderung des Austauschverhältnisses von Güter- zu Geldmenge verursacht werden, wenn sich die Geldmenge erhöht, ohne dass gleichzeitig die Produktion von Gütern im selben Maße zunimmt. Und genau das ist das Problem. Es wurde und wird der Markt mit Geld förmlich überschwemmt. Rendite durch Geldanlage ist auch für die Unternehmen, ob klein oder groß nicht interessant. Sie investieren auch trotz des billigen Geldes nicht, da wir uns in einer weltweiten Wirtschaftskrise befinden und die produzierten Güter nur noch mit Druck oder gar "mit staatlich verteidigten geopolitischen Interessen", abgesetzt werden können. Wohin soll denn die Erweiterung an Kapital hingesteckt werden? Die Unternehmen müssen am Wettbewerbsmarkt schnell genug wachsen, sonst überstehen sie den nationalen oder internationalen Verdrängungswettbewerb nicht. Demnach sind Wachstumsraten unabdingbar, haben aber auch die Erweiterung des Kapitals zur Folge. Somit wird ein Großteil aus der Erweiterung des Kapitals eben wie bisher in die Güterproduktion gesteckt, denn ohne Rendite kann kein Unternehmen überleben. Also wächst z. Z. die Güterproduktion im Euroraum noch schneller, wie der Zuwachs am Geldmenge jemals vollzogen werden könnte. Der schnelle und ungebremste Zuwachs an Geldmenge hat aber auch negative Folgen. Diese werden die bestehende Krise und auch die Unzufriedenheit der Menschen noch anheizen, da sie sich nicht freiwillig durch eine Nullzinspolitik "enteignen" lassen werden. Außerdem wird zunehmend Unruhe erzeugen, dass sich nun doch die Süd-und Osteuropäischen Staaten zur Bezahlung Ihrer Kredite auf zinsloses oder sogar subventioniertes Geld der EZB zurückgreifen. Das ist verkehrte Welt und alle Steuerzahler in der EU haften dafür. Kann denn das gut gehen? Diejenigen Staaten in der EU, die das Geld liehen, bezahlen jetzt auch noch für die Finanzierung der Kredite und die Kreditnehmer zahlen mit 0 Zinsen Ihre Kredite kostenfrei ab??? Die grundlegenden Gesetze der Wirtschaft und Volkswirtschaft geraten zunehmend in schlimmster Weise durcheinander. Wer das alles noch zulässt und nicht mehr gegensteuert, braucht sich über die Folgen dann auch nicht mehr zu wundern. Die treten voraussichtlich schneller ein, als man sich das denkt. An der Sache muss sich nach meiner Auffassung deshalb ganz schnell etwas ändern, ehe es zu spät ist.

Auch von meiner Seite ein Danke an die RENTA CONTROL UNION, für die Möglichkeit, dass wir hier als Mitarbeiter der "Öffentlichen" miteinander offen über dieses schwierige Thema aus unserer konkreten und persönlichen Sicht diskutieren dürfen. Ich sehe das auch so: Die RENTA CONTROL UNION hatte mit Ihrem Volkswirtschaftler schon Mitte 2015 den Damen auf dem richtigen Thema. Die Inhalte der damaligen Anmoderation stimmen in dieser schnelllebigen Zeit noch heute. Schaut Euch dagegen einmal die Vorhersagen der Chefvolkswirte der Banken an. Die halten eher keine Woche. Damit Daumen hoch für die RENTA CONTROL UNION. Volkswirtschaftliche Vorhersage war stimmig!
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Vogel.dresden am Do 7. Apr 2016, 19:08

In den zurückliegenden Tage hat sich viel zur Erneuerung der EU bewegt. Hier stehen existenzielle Fragen an, die auf eine Lösung warten. Hier von mir einmal das Interview von Olaf Lang v. d. Stiftung Wissenschaft und Politik:

"Die Europäische Union erhält einen Tiefschlag nach dem anderen. Jetzt haben die Niederländer das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine abgelehnt. Geht die EU unter? Wir sprachen mit dem Europa-Experten Kai-Olaf Lang von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Herr Lang, stirbt gerade die Idee von Europa?

So weit würde ich nicht gehen. Aber sicher ist die Europa-Idee an Grenzen gestoßen. Die Europäische Union muss revitalisiert oder zumindest aktualisiert werden. Da stellen sich alte Fragen mit neuer Brisanz: Was ist der Nutzen der europäischen Integration? Welches Europa wollen wir?

Die Niederländer haben gestern gegen das Assoziierungsabkommen zwischen Ukraine und EU gestimmt. Was ist daran besonders bedeutsam?

Wir sehen ja, dass in mehreren Ländern rote oder zumindest gelbe Karten in der Europa-Politik gezeigt werden und zwar von ganz unterschiedlicher Seite: In diesem Fall kommt die gelbe Karte direkt von den Stimmbürgern. Wir haben also neue wichtige Veto-Akteure. Die Abstimmung in den Niederlanden - diesem einst sehr europafreundlichen Land - zeigt uns, dass die Skepsis zunimmt. Dass auch die Regierung dieses Landes nicht Europa-Politik ohne oder gegen das eigene Volk betreiben kann.

Was ist dort das Problem?

Man sprach früher mal von einem europabezogenen Maximalismus: Die Niederländer waren über Jahrzehnte ausdrücklich pro-europäisch orientiert und kultivierten ihre Identität als Gründungsmitglied der europäischen Gemeinschaft. Seit einigen Jahren bewegen sie sich aber in Richtung Großbritannien. Man beharrt auf den nationalen Kompetenzen. Manche sagen sogar vor dem Hintergrund der jetzigen Abstimmung, man könne sich ebenfalls ein Referendum über die eigene EU-Mitgliedschaft vorstellen.

Warum gerade die Niederlande?

Es kommen drei Komponenten zusammen: erstens die Frage der Finanzkrise. Die Niederlande sind ein sehr fiskal-konservatives Land, das auf Sparen und solide Haushaltsführung setzt. Man hat nur sehr ungern Solidarpakete für den Süden geschnürt. Zweitens: Bei der Einwanderung war man lange Zeit sehr offen und dann am Ende eher überfordert. im Zusammenhang mit Immigration geht es zwar nur in geringem Maße um Zuwanderung aus der EU, zum Beispiel aus dem östlichen Europa. Aber man hat auch dieses Thema in einen EU-Kontext geschoben. Und drittens geht es um die Stellung eines relativ kleinen Landes in der EU, in der die Schwergewichte in wachsendem Maße den Ton angeben. Schon 2005 hat man die EU-Verfassung auch deswegen abgelehnt, weil man unzufrieden war mit der Dominanz der "Großen" und seinen eigenen Weg wollte.

Wäre die Abstimmung in anderen Ländern nicht genauso ausgefallen?

Generell gibt es bei Volksabstimmungen immer das Risiko, dass die Leute der Regierung einen Denkzettel verpassen wollen und daher sachfremde Themen in ein Referendum "hineinpacken". Man will aber auch sagen: Es kann europapolitisch so nicht weitergehen.

Wie lautet in aller Kürze die Botschaft der Abstimmung in den Niederlanden?

Die Botschaft lautet: Vertiefung und Erweiterung der Union werden künftig viel stärker als früher mit der Möglichkeit der negativen Sanktionierung durch Gesellschaften in Mitgliedsstaaten zu rechnen haben.

Wir erleben zurzeit, dass sich mittelost-europäische Staaten im Rahmen der Flüchtlingskrise massiv unsolidarisch verhalten. Kann es nicht einfach sein, dass man sich nicht noch so einen "Partner" ins Boot holen will?

So weit ging das gar nicht. Die Niederländer waren in den vergangenen Jahren tatsächlich stark reserviert gegenüber der EU-Erweiterung. Das Argument des vermeintlichen Egoismus der Mitteleuropäer ist noch relativ jung. Die Erweiterungsabneigung geht aber viel tiefer. Die Angstvorstellung ist eher: Je größer die Union wird, desto bunter wird sie, desto mehr schwierige Fälle haben wir und desto mehr müssen wir als relativ wohlhabendes Land in die gemeinsame Kasse zahlen. Insofern spielt hier auch der Wunsch eine Rolle, die europäische Integration und die Erweiterung zu entschleunigen.

Heißt das nicht auch, dass sich die EU seit den 1990er Jahren viel zu schnell erweitert hat?

Die Erweiterung war letztlich ein wichtiger Beitrag zur Stabilisierung des Kontinents in einer unsicheren geopolitischen Situation. Stellen wir uns vor, was eigentlich in Mitteleuropa - unserer direkten Nachbarschaft - los wäre, wenn diese Länder in einer Grauzone zwischen den Westen und Russland verblieben wären. Die sicherheitspolitischen Auswirkungen wären bis vor unsere Haustür zu spüren. Die Erweiterung war ein Modernisierungs- und Stabilisierungsprogramm, von dem gerade auch Deutschland sehr profitiert hat.

Welche Art von EU wollen Mitteleuropäer wie Polen oder Ungarn?

Diese Länder wollen eine funktionierende EU, aber anders als bisher: Keine EU, die sich immer tiefer integriert, sondern eine, die auf der Zusammenarbeit von Nationalstaaten basiert. Sie bringen das nur ideologisch provokant vor. Aber Renationalisierung und Europa-Skepsis sehen wir gegenwärtig fast überall in der EU.

Die Idee der politischen Union können wir wohl erst einmal vergessen, oder?

Das kann man erst in 20 bis 30 Jahren sagen. Aber sie ist im Moment nur für sehr wenige ein Weg, den man offensiv gehen möchte. In der jetzigen Phase geht es eher darum, die Union zusammen zu halten und ein Ausfransen zu verhindern. In einigen Bereichen hat man ja immens integriert. Die Stimmungslage geht aber wie gesagt in Richtung Entschleunigung.

Wie wird es jetzt weitergehen?

Wenn wir nach vorne schauen, stehen wir an einer Weggabelung: Entweder wird die Dynamik der Union einschlafen und man wird einen Sockel um den Binnenmarkt herum beibehalten. Die politische Dynamik dagegen wird erlahmen. Die andere Möglichkeit: Die Entwicklung verläuft wie immer wellenförmig. Da gibt es Phasen mit rasantem Fortschritt und Phasen, in denen es stagniert – bis die nächste Welle kommt. In den 1970er Jahren sprach man oft von Stagnation und "Euro-Sklerose". Später kamen mit dem gemeinsamen Markt große Vertiefungssprünge. Vielleicht sind wir in einer Phase, wo es für ein Jahrzehnt einfach mal darum geht, den Laden zusammenzuhalten, salopp gesagt. Dann sehen vielleicht viele wieder, was eigentlich die Vorteile des europäischen Projekts sind.

Darf man also noch mit positiven Überraschungen rechnen?

Nicht kurzfristig. Jetzt haben wir Tendenzen der Fragmentierung, der "negativen Integration". Vergangenes Jahr hat man darum gekämpft, dass Griechenland nicht aus der Euro-Zone ausscheidet. Jetzt sprechen wir über den "Brexit" (die kommende Volksentscheidung der Briten über Verbleib oder Austritt aus der Union, Anm.). Schengen wird hinterfragt, sogar der Binnenmarkt wird teilweise hinterfragt. Die Festigung der Union und eines Geistes der Zusammengehörigkeit wären schon einmal wichtige Teilerfolge."

Soweit zu dem Interview. Aus meiner Sicht spielen wir da vieles runter oder kehren es unter den Teppich. Das kann so nicht lange gut gehen.
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Grünrock am Do 7. Apr 2016, 19:32

Guten Abend nach Dresden. Da hast Du wohl Recht. Einerseits erleben wir in Deutschland eine erschreckend "gleichgeschaltete Presse". Andererseits hat man im Ausland aber eine sachlichere Sicht zum Referendum in Holland, die eher von Fakten getragen wird: Hier einmal ein Bericht aus dem EU-Land Schweden:

Bei dem Referendum der Niederländer über das Assoziierungsabkommen zwischen der EU und der Ukraine hat die Mehrheit nach vorläufigen Angaben mit Nein gestimmt. Rund 61 Prozent der Teilnehmer lehnten das Abkommen ab, wie die Nachrichtenagentur ANP am Mittwochabend berichtete. Auch die erforderliche Mindestbeteiligung von 30 Prozent der Wahlberechtigten wurde demnach erreicht. Das „Nein“-Lager hatte der EU einen Denkzettel verpassen wollen.

Wie ANP unter Berufung auf die Auszählung von 99,8 Prozent der Stimmen meldete, votierten 61,1 Prozent der Teilnehmer gegen das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine und 38 Prozent dafür. Die Wahlbeteiligung wurde mit 32,2 Prozent angegeben. Damit wurde das Mindestquorum von 30 Prozent der 12,5 Millionen Wahlberechtigten erreicht.

Regierungschef Mark Rutte räumte am Abend ein, dass die Gegner überzeugend gewonnen hätten. In seiner „jetzigen Form“ könne das Abkommen nicht ratifiziert werden, wenn das amtliche Endergebnis das Erreichen der Mindestbeteiligung bestätige. Dieses soll erst am 12. April veröffentlicht werden. Über die Auswirkungen des Votums müsse nun „Schritt für Schritt“ in Abstimmung mit der Regierung und Brüssel entschieden werden, sagte Rutte.

Das Assoziierungsabkommen soll die wirtschaftliche, militärische und politische Zusammenarbeit der EU mit der Ukraine befördern. Es wurde bereits von allen übrigen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert. Das Referendum ist rechtlich nicht bindend. Doch die Regierung erwägt dennoch, die Ratifizierung auszusetzen. Ministerpräsident Mark Rutte will sich nun mit seinem Kabinett beraten. „Wenn das Referendum gültig ist, dann können wir den Vertrag nicht einfach so ratifizieren“, sagte er im niederländischen Fernsehen. Auch müssten nun Gespräche mit der EU geführt werden.

Zuvor hatte EU-Präsident Jean-Claude Juncker im NRC Handelsblad gewarnt, dass eine Ablehnung durch die Niederlande eine „kontinentale Krise“ auslösen würde. Eine Ablehnung würde als Erfolg Russlands gewertet, sagte Juncker. Dies ist insofern interessant, weil der Ukraine-Deal bisher stets als nicht gegen Russland dargestellt wurde.

Die FT analysiert, dass es nun zu monatelangen, quälenden Verhandlungen mit der EU kommen würde. Es ist nicht klar, ob ein EU-Vertrag von nur 27 Mitgliedsstaaten volle Gültigkeit erhalten würde. Die Unterstützung für die Ukraine hat ihren Ausdruck bisher vor allem in milliardenschweren Krediten ihren Ausdruck gefunden. Nachdem diese Kredite aus den Steuergeldern aller EU-Staaten kommen, ist unklar, ob niederländische Steuergelder gegen den Willen der Niederlande verteilt werden können. Möglicherweise muss der niederländische Anteil schließlich von den anderen EU-Staaten übernommen werden.

Auch für die Nato wäre ein Aussteigen der Niederlande ein Problem: Der von den Russen am meisten angefeindete Teil ist die enge Kooperation der Ukraine mit der Nato. Bisher ist eine militärische Kooperation nicht Teil von EU-Freihandelsabkommen gewesen. Auch hier stellt sich die Frage, welche Folgen ein Ausscheren der Niederlande hätte. Denn die europäischen Rüstungsfirmen gehen davon aus, dass die im Abkommen vereinbarte Anpassung der Ukraine an Nato-Standards bis 2020 vor allem ihren Produkten zugute kommen soll.

Zwei EU-kritische Initiativen hatten mit über 400.000 Unterschriften das Referendum erzwungen. Nach Ansicht der Gegner ist das Abkommen eine Vorstufe zu einem EU-Beitritt der Ukraine, den sie ablehnen. Zugleich hatten sie zu einem deutlichen Votum gegen die „undemokratische EU“ und ihren „Expansionsdrang“ aufgerufen.

Die Initiatoren äußerten sich zufrieden. Der Jurist Thierry Baudet vom Forum für Demokratie erklärte: „Das Ergebnis kann man nicht ignorieren.“ Nun beginne eine Diskussion „über eine andere EU“.

Die Regierung hatte den Vertrag bereits unterzeichnet. Auch beide Kammern des Parlaments hatten zugestimmt. Die klare Ablehnung des Vertrages wird von der dpa auch als Schlappe für die das EU-Gründungsmitglied Niederlande gewertet, das zurzeit die Ratspräsidentschaft inne hat.
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am So 10. Apr 2016, 09:34

Die Unzufriedenheit mit der ignoranten Politik der EU und vor allem der EZB hat ganz objektive Gründe. Hier findet ein gewaltiger Umverteilungsprozess und darüber hinaus, auch eine sehr gefährliche Politik statt.

Seit sechs Jahren sind z. B. die Zinsen auf einem beispiellos niedrigen Niveau. Im Schnitt hat jeder Bundesbürger bislang 2450 Euro verloren. Auf den zweiten Blick sind die Einbußen sogar noch höher. Die Nullzins-Ära kostet die Deutschen bis zum Jahresende knapp 200 Milliarden Euro. Rein rechnerisch hat jeder einzelne Bürger seit Beginn der Euro-Krise 2450 Euro weniger in der Tasche. Das geht aus Berechnungen der DZ Bank hervor.

Nun sind niedrige Zinsen nicht für alle Situationen der Bürger schlecht. Wer z. B: einen Kredit aufnimmt, profitiert gegenwärtig von der Entwicklung der vergangenen Jahre. Das aber nur auf den ersten Blick, denn dort wo er sein Kreditgeld anlegt verliert er durch Preisverfall. Unterm Strich wird der negative Effekt entgangener Sparzinsen bei Weitem nicht durch den positiven Effekt niedrigerer Kreditzinsen ausgeglichen.

Allein von 2010 bis 2015 büßten die Deutschen mit Tagesgeldkonten, Wertpapieren und Versicherungen 261 Milliarden Euro ein. In diesem Jahr kommen noch einmal 82 Milliarden Euro hinzu. Den insgesamt 343 Milliarden Euro stehen Zinsersparnisse, etwa beim Hausbau, in Höhe von lediglich 144 Milliarden Euro gegenüber.

Frage: Wer gewinnt an den beispiellosen Umverteilungsprozess wirklich?
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Grünrock am So 10. Apr 2016, 09:56

Moin Peter. Da hast Du wohl Recht.

Aber auch die Banken in Europa befinden sich in einer schwierigen Situation. Schätzungen zufolge befinden sich ausfallgefährdete Kredite in Höhe von über einer Billion Euro in den Bilanzen der Institute. Besonders akut ist das Problem in Italien. Die Regierung versucht inzwischen, faule Kredite in einen Staatsfonds auszulagern. An der Frage, wie sich Banken gegen mögliche Verluste absichern müssen, hat sich inzwischen eine Auseinandersetzung zwischen Deutschland und der Europäischen Kommission entzündet.

Selbst wenn die faulen Kredite "ausgelagert" werden, sind diese nicht plötzlich weg, denn auch Geld ist nicht plötzlich weg, sondern nur wo anders. Das heißt doch alles nur, dass z. B. der italienische Staat die Schulden übernommen hat. Dafür wird dann weiter billiges Geld gedruckt. Früher, "liebe Kinder" gab es einmal ein Stabilitätsabkommen der EU, was dafür sorgte, dass wir wirtschaftlich bleiben und nicht unter gehen. Auch das war eigentlich nur ein Märchen, denn auch Deutschland hielt sich nicht immer daran. Heute erzählen wir den "Kindern" dass Geld drucken und Schulden machen sehr gut ist, weil es die Inflation ankurbeln soll und die böse Deflation verhindert. Es ist aber nicht alles so einfach wie im Märchen. Die Erwachsenen haben längst entdeckt, dass man sehr schnell aus der Märchenwelt aufwecken wird und nichts wird mehr so wie früher sein. Ja, Angst macht sich breit, weil man entdeckte, dass die, die es wissen und können müssten, leider nicht wissen, was sie tun sollen.
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon jop am So 10. Apr 2016, 10:14

Moin, Foristi. Ihr seid ja wieder am Werke wie ich sehe.

Vieles sehen und hören wir in Deutschland offensichtlich auch nicht. Ganz egal welchen Sender ich anschalte oder welche Zeitung ich aufschlage - immer die gleichen Nachrichten oder eben wichtige Rate-Sendungen, die dich langsam verblö..en.

In Frankreich ist es am Samstag, dem 09.04.2016 bei Protesten gegen die geplante Regierungsreform zu Krawallen zwischen Demonstranten und der Polizei gekommen. In Paris und Rennes, wo es die schlimmsten Auseinandersetzungen gab, wurden nach Behördenangaben 17 Menschen festgenommen. Auch in Nantes kam es zu gewaltsamen Protesten. Landesweit seinen wieder ca. 120.000 Menschen auf den Straßen gewesen.

Es war wohl der sechste Tag der Proteste gegen die Regierung.

Ihren Höhepunkt hatten die Kundgebungen am 31. März 2017 (Ihr hört richtig-in der zurückliegenden Woche), als nach Angaben der Veranstalter im ganzen Land 1,2 Millionen Menschen ihrem Unmut Luft machten.


Hallo, 1,2 Mio. Menschen auf der Straße in Frankreich? Ich habe in Deutschland nichts davon in den Nachrichten und der Presse wahrgenommen. 1,2 Mio. Demonstranten am 31.03.2017 auf der Straße, das ist doch nicht gerade eine Kleinigkeit. Also da scheint sich schon was zu tun...
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Vogel.dresden am So 10. Apr 2016, 12:19

Hallo.
Leider habt Ihr wahrscheinlich mit euren Befürchtungen nicht so Unrecht.

Europa befindet sich bereits in einem wieder beginnenden Krisenzyklus. Wer das bestreitet, macht sich lächerlich. Die Maßnahmen gegen einen Wirtschaftseinbruch sind bereits jetzt ausgeschöpft. In Gefahr sind unsere wenigen Sparguthaben aber auch die Kassen der Staaten. Auch Deutschland steht vor einer dramatischen Krise - und die wird uns diesmal voraussichtlich alle treffen.

Auch in Europa zu leben, wird uns teuer zu stehen bekommen. In Gefahr ist unser Geld, unser Erbe - unser Leben in mehr oder weniger bescheidenem Wohlstand, wie es Europa immer garantiert hatte. Viele glauben, dass betrifft mich nicht, weil ich nichts habe, was mir weggenommen werden könnte. Weit gefehlt, denn die begonnene Krise betrifft nicht nur die Vermögen, sondern wird auch an die Substanz menschlicher Existenz, die Unterkunft und die Ernährung gehen. Ich erinnere hier einfach einmal an die Bilder aus den USA in 2008, als Millionen von Menschen ihr Hab und Gut verloren und sich in Zelten wiederfanden. Vieles spricht dafür, dass diese Krise weit dramatischer wird als beim letzten Mal. Es droht nicht nur eine neue Eurokrise wie ab 2006/7. Europa hat sich erneut infiziert, so die Analysen der Süddeutschen Zeitung und der FAZ übereinstimmend. Mancher mag das noch nicht so dramatisch sehen, da wir täglich hören, der deutschen Wirtschaft geht es so gut wie nie. Erstens ist das nicht die Wahrheit und zweitens darf man nicht vergessen, dass unser bescheidener Wohlstand in Deutschland durch nicht mehr rückzahlbare Staatsschulden und Armut anderer nur ausgeliehen ist. Wie wir es an Griechenland und den Flüchtlingen beispielhaft ersehen, wird man das Geborgte wieder her geben müssen. Stück für Stück und Tag für Tag. Die rechtpopulistischen Thesen helfen da nicht weiter, verschlimmern nur alles und betreiben ein sehr riskantes Spiel mit der Angst. Das hatten wir schon und brauchen es wirklich nicht nochmals zu probieren.

Die Schulden der Euroländer sind doch schnell weiter gestiegen. Lagen sie vor sechs Jahren noch bei 85 % der Wirtschaftsleistung, sind sie heute bei über 90 % im Durchschnitt. Portugal, Italien und Spanien haben Schulden in Höhe von über dem 1,2-Fachen ihres Bruttoinlandsprodukts. Unter Volkswirten reift deshalb die Überzeugung, schlimmer geht es nicht mehr. Wir bürgen mit unseren Steuergeldern für die Notmaßnahmen wie den Euro-Rettungsschirm. Zudem sinken die Zinsen für Sparer immer weiter, Lebensversicherungen, Tagegeldkonten...? Alles, was einmal etwas wirtschaftliche Sicherheit gab, kommt nicht mehr in Frage. Viele Anlageoptionen werfen jetzt schon weniger ab als die tatsächliche Inflation auffrisst. Gleichzeitig sind Aktien nicht nur eine riskantere Anlage, sondern auch schon teuer. Ebenso Immobilien und andere Sachanlagen. Wo steuern wir also hin? Denn das sind bereits die dramatischen Auswirkungen der beginnenden Krise, die jetzt schon jeder von uns spürt und die Ihr oben mit Euren Beiträgen meint. Das kann ich gut nachvollziehen.

Es ist nur eine Frage der Zeit, dass immer mehr Banken ins Wanken kommen, angespartes Vermögen weiter in Gefahr gerät und die Börsenkurse in den Keller rutschen. Auch immer mehr Terror, Kriege und Flüchtlinge werden an die Tür Europas klopfen, weil in diesen Ländern "die Welt bereits aus den Fugen geraten ist", schlicht keine existenziellen Voraussetzungen mehr ausreichend vorhanden sind. Ein Abschotten wird auf Dauer nichts nutzen. Hinzu kommt demnächst die ernste Frage: Was ist dann, wenn die Länder, die den Rettungsschirm für andere aufspannen, selbst in Schwierigkeiten geraten, weil die Rettungsschirme nicht mehr zu finanzieren sind? Das geht über Nacht, wenn Italien oder Spanien bzw. Frankreich, wie oben erwähnt kollabieren. Wenn eine Staatskasse erst richtig kaputt ist, was wird mit Renten, Grundversorgung, wohnen...? Da werden viele sagen, dass können die doch nicht machen! Schaut Euch die zurückliegende große Weltwirtschaftskrise an. Das will keiner hoffen, aber wir stehen direkt am Scheideweg. Nur macht sich diese Situation der "Normalbürger" noch nicht klar oder verdrängt das Unangenehme, gibt bereits alles aus, "lebt von der Hand in den Mund", aber spürt, dass es täglich dramatischer in der Welt und Europa zugeht. Der Schwarze Freitag kommt nicht von heute auf morgen. Das war auch damals nicht so!!!
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Peter am Mo 2. Mai 2016, 17:14

Sparkasse bereitet sich auf Zerfall der Euro-Zone vor

Die Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien in Zittau trifft Vorbereitungen für den Fall, dass einzelne Länder die Euro-Zone verlassen und zu eigenen Währungen zurückkehren. Dieses Szenario sei realistisch, wenn die EZB nicht umgehend ihre Politik ändert - so Michael Bräuer, Vorsitzender des Vorstandes der Sparkasse Oberlausitz-Niederschlesien in Zittau. Hier das Interview, was er den DWN gab:

"DWN: Wie wirken sich die Niedrigzinsen auf Ihr Tagesgeschäft aus?

Michael Bräuer: Im Augenblick profitieren wir noch von dem hohen Zinsniveau der Vergangenheit und dem geringen heutzutage. Aber je länger die Niedrigzinsphase dauert, umso geringer ist dieser Effekt noch. Für unsere Kunden stellt sich die Situation so da, dass Sparer derzeit wenigstens noch eine geringe Verzinsung erhalten. Somit können wir sie vor den schlimmsten Folgen der Negativzinspolitik der EZB bewahren. Dies wird aber auf Dauer möglicherweise nicht haltbar sein. Damit würde Sparen unattraktiv. Kreditnehmer hingegen werden heute schon durch extrem niedrige Zinsen ermuntert, sich weiter zu verschulden, teilweise auch über das sinnvolle Maß hinaus. Diese Fehlanreize werden mittel- bis langfristig Wirkung zeigen.

DWN: Sind die Sparer verunsichert? Merken Sie Bewegungen in Richtung Abhebungen? Besteht eine erhöhte Nachfrage nach Schließfächern?

Michael Bräuer: Nein, vermehrte Abhebungen oder Nachfragen nach Schließfächern durch die Sparer sind nicht zu verzeichnen. Ganz im Gegenteil. Die Sparer tragen in Größenordnungen das Geld zu uns, allein im vergangenen Jahr über 100 Millionen Euro. Die meisten legen ihr Geld auch zu niedrigen Zinsen an. Zwar gibt es Sorgen, aber es fehlen die Alternativen. Denn um höhere Zinsen zu erhalten, müssen die Kunden hohe Risiken eingehen. Und das will die Mehrheit nicht.

DWN: Sie werden auf der Website der Sparkasse mit der Aussage zitiert, dass „der Kollaps des Euroraums nur eine Zeitfrage sei“. Warum wären die Folgen so einschneidend?

Michael Bräuer: Das Problem der Währungsunion ist, dass sie wie ein Stuhl mit drei Beinen kippelt. Wir haben zwar eine gemeinsame Währung, auch gemeinsame Regeln – aber keine gemeinsame Wirtschafts- und Finanzpolitik. Die EZB macht im Moment eine Politik für die schwächsten Länder Europas. Diese Politik ist aber falsch für alle Länder, die gut dastehen wie Deutschland. Die Gefahr besteht darin, dass aufgrund der gesetzten Fehlanreize unser Finanzsystem mittel- bis langfristig destabilisiert wird. Außerdem sind die Nebenwirkungen erheblich. So werden die betrieblichen und privaten Altersversorgungssysteme in Deutschland zerstört. Deswegen sehe ich unsere Prognose als realistisch an, wenn die EZB ihre Politik nicht ändert.

DWN: Sie sagen, dass Sie sich im Interesse der Kunden auf diese Entwicklung vorbereiten. Welche Maßnahmen ergreifen Sie?

Michael Bräuer: Wir entwickeln ein Szenario, was geschieht, wenn Länder zu ihren Währungen zurückkehren. Kleinere Beispiele gab es ja schon, zum Beispiel beim Auseinandergehen von Tschechien und der Slowakei. Da führten beide Seiten auch eigene Währungen wieder ein.

DWN: Was würden Sie den Sparern raten, damit sie ihre Ersparnisse schützen können?

Michael Bräuer: Bei den Sparkassen sind die Ersparnisse sicher. Die Geldwertstabilität und die Zinsentwicklung werden hingegen maßgeblich von der EZB beeinflusst. Dabei überschreitet die EZB nach Meinung von Experten ihre rechtlichen Vorgaben. Die Frage, ob die EZB ungestraft ihre rechtlichen Vorgaben überschreiten darf, ist auch eine politische Frage. Die Sparer sollten deshalb ihren politischen Willen zum Ausdruck bringen.

DWN: Was müsste geschehen, damit es bei der EZB zu einer Kehrtwende kommt?

Michael Bräuer: Das könnte erst dann passieren, wenn sich die handelnden Personen vom Pippi Langstrumpf Prinzip – Ich mach mir die Welt wie es mir gefällt – verabschieden und der Realität ins Auge blicken."
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Kaktusblüte am Di 3. Mai 2016, 16:08

Hallo liebe Foristi. Ich habe mich einmal dem Problem:

TTIP und öffentliche Dienstleistungen (wie z. B. Wasserversorgung, Sparkassen, als öffentl. Finanzdienstleistung usw.)

zugewandt. Das deshalb, da ich der Meinung bin, dass das in Europa und Deutschland die bestehende Situation weiter verschärfen wird und eine Vielzahl von Arbeitsplätzen im öffentlichen Sektor in Europa kosten wird. Deshalb glaube ich, dass TTIP in jedem Fall zu diesem Thema gehören sollte und uns alle angeht.

Hier einmal die von mir zusammengetragene Übersicht dazu:

Die Verbände und Unternehmen der öffentlichen Wirtschaft warnen davor, dass in den TTIP Verhandlungen die im Allgemeinen Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen (General Agreement on Trade in Services, GATS) festgelegten Liberalisierungsausnahmen umgangen werden, da alle Dienstleistungssektoren vom Verhandlungsmandat erfasst sind und damit eine größtmögliche Liberalisierung aller Bereiche des Wirtschaftsgeschehens angestrebt wird.
Punkt 15 des Verhandlungsmandats besagt darüber hinaus:

Für „die Verhandlungen im Bereich des Dienstleistungshandels wird das Ziel verfolgt, die in den beiden Vertragsparteien bestehende autonome Liberalisierung auf dem höchsten Liberalisierungsniveau, das in bestehenden Freihandelsabkommen erfasst wurde, im Einklang mit Artikel V des GATS zu binden, wobei im Wesentlichen alle Sektoren und Erbringungsarten erfasst werden, und dabei gleichzeitig neue Marktzugangsmöglichkeiten zu erzielen, indem noch vorhandene, seit langem bestehende Hemmnisse für den Marktzugang angegangen werden, wobei die Empfindlichkeit bestimmter Wirtschaftszweige anerkannt wird.“

Dazu gehören u.a. infrastrukturelle öffentliche Dienstleistungen, wie:
- kommunale und regionale Wasserwirtschaft,
- öffentlicher Personennahverkehr,
- kommunale Energie,
- Abfallwirtschaft,- Wohnungswirtschaft,
- öffentliche Häfen,
- öffentliche Netzwirtschaft und -bereitstellung,
- Erbringer von Finanzdienstleistungen in öffentlich rechtlicher Trägerschaft,
- öffentliche Krankenhäuser und Rettungsdienste,
- öffentliche Sozial-, Gesundheits- und Bildungseinrichtungen,
- öffentliche Kultureinrichtungen und Kulturwirtschaft und
- soziale Sicherungssysteme, wie u.a. gesetzliche Kranken- und Pflegekassen.


Die Übernahme bereits bestehender autonomer Liberalisierung „auf höchstem Niveau“ kann nunmehr bedeuten, dass die EU sämtliche Liberalisierungsverpflichtungen übernehmen muss, welche die USA bereits in anderen bilateralen Freihandelsabkommen eingegangen sind. Wenn einer der Handelspartner künftig weitergehende Liberalisierungsstandards setzt, bilden diese den jeweils bindenden Mindeststandard. Grundlage künftiger Liberalisierungsmaßnahmen soll das heutige Liberalisierungsniveau sein, welches nicht unterschritten werden darf.

Punkt 19 der Leitlinien des Rates betrifft öffentliche Dienstleistungen:

„Die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung [orig.: ‘public utilities‘] in der EU sollte im Einklang mit dem AEUV, insbesondere dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse, und unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU in diesem Bereich, einschließlich des GATS-Abkommens, gewahrt werden.“

Diese Vorgabe ist nicht ausreichend, um die Werte, Standards und Qualität von Dienstleistungen der öffentlichen Daseinsvorsorge in Europa und Deutschland zu garantieren:
Auch wenn sich das Verhandlungsmandat auch auf Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse bezieht und ein Kernbereich wohl auch durch Art. 14 AEUV primärrechtlich abgesichert sein dürfte, ist zu befürchten, dass im Rahmen der TTIP-Verhandlungen übertriebene Deregulierungsanforderungen festgelegt werden. Das Verhandlungsmandat der EU sieht nur vor, dass sich das Abkommen mit Unternehmen mit besonderen oder ausschließlichen Rechten befassen soll, ohne dass deutlich ist, ob es sich dabei um eine Absicherung oder um eine Beschränkung handeln soll.

So stellen uneingeschränkte Marktzugangsverpflichtungen im TTIP den demokratisch legitimierten nationalen und europäischen Rechtsrahmen in Frage, da die Organisationshoheit der Gebietskörperschaften und die Vielfalt der Erbringungsformen als Ausdruck des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gefährdet würde, wie folgende Sektorbetrachtungen zeigen.

Die kommunale Wasserversorgung:
In diesem Sektor würde bei einer Liberalisierung und/oder Privatisierung die Aufgabenübertragung nur unter wettbewerblichen Voraussetzungen möglich sein. Wasser ist als natürliches Monopol anerkannt und die Orientierung an Gemeinwohlinteressen und Nachhaltigkeit wird über die Anbindung an die kommunale Ebene ermöglicht. Ein Wettbewerb und eine generelle Marktöffnung werden deshalb in Deutschland nach einer langen und ausführlichen Debatte mehrheitlich abgelehnt. Dies zeigen nicht zuletzt die erfolgreiche Kampagne „right2water“ und verschiedene Rekommunalisierungen in der Wasserwirtschaft, also die Rückkäufe privater Anteile von Dienstleistern in der Branche. Die Rekommunalisierung könnte aber durch TTIP erschwert und die kommunale Entscheidungsfreiheit, die Wasserversorgung wieder in die eigene Hand zu nehmen, erheblich eingeschränkt werden. Die Wasserversorgung als eine wichtige Aufgabe der kommunalen Selbstverwaltung hat sich in Deutschland bewährt.
Die öffentliche Netzwirtschaft und -bereitstellung: Hier gefährden der Trend zur Marktöffnung und die damit verbundene Verpflichtung zur Ausschreibung den vorwiegend von der öffentlichen Hand geführten Netzbetrieb in Deutschland. Die Rahmenbedingungen dieser Netzwirtschaft werden von einer gemeinnützigen Regulierung mit starker Umweltorientierung geprägt. Sie ist durch eine flächendeckende geographische Ausdehnung und stabile Renditen gekennzeichnet und stellt für externe Wettbewerber ein besonders attraktives Geschäftsfeld dar. So wurden im Rahmen der EU„Unbundling“-Politik die Energie-Übertragungsnetze vom Rest des Unternehmensgeschäfts im Energiesektor getrennt. Dies strebt die EU-Kommission im Rahmen des 4. Eisenbahnpaketes auch für Schienenverkehrsunternehmen an.
Es ist zu befürchten, dass ein Freihandelsabkommen mit den USA eine weitere Liberalisierung der öffentlichen Netzwirtschaft zur Folge hätte. Zudem ist zu befürchten, dass bestehende und geplante Umweltvorschriften der Branche von privaten Investoren und Wettbewerbern als „ergebnishemmend“ eingestuft und im Rahmen des Investorschutzsystems ISDS angegangen werden.

Die Finanzdienstleistungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft:
Im Bereich der Erbringer von Finanzdienstleistungen in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft – in Deutschland sind dies die Sparkassen – könnten diese im Fall einer Privatisierung und/oder Liberalisierung ihrem öffentlichen Auftrag nicht mehr nachkommen. Denn die Sparkassen wurden schon in der Vergangenheit bewusst als öffentlich-rechtliche Anstalten konstruiert, da nur hiermit die strukturellen Voraussetzungen für eine dauerhafte Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags geschaffen werden können.
Nur die öffentliche Rechtsform ermöglicht es den Sparkassen, ein Gleichgewicht zwischen auskömmlicher Rendite und Eigenkapitalausstattung einerseits und einer verlässlichen Erfüllung ihres öffentlichen Auftrags andererseits herzustellen. So kann beispielsweise eine Bereitstellung von Finanzdienstleistungen flächendeckend für alle Unternehmen und Bürger vor Ort nur unter der Zielsetzung von Gemeinwohlorientierung geleistet werden. Für private Unternehmen wäre hier die Renditeerwartung zu gering. Das Ergebnis wäre eine Unterversorgung der Bevölkerung und gerade auch der kleinen und mittleren Unternehmen mit Finanzdienstleistungen. Entsprechend haben sich die privaten Banken auch in den vergangenen Jahren weiter aus der Fläche zurückgezogen. Auch die Interessen privater Investoren passen nicht zu Unternehmen mit einem öffentlichen Auftrag. Denn private Investoren erwarten zu Recht, dass ihr Kapital eine höchstmögliche Rendite erzielt. Erst die öffentlich-rechtliche Trägerschaft schafft die strukturellen Voraussetzungen, um dauerhaft den öffentlichen Auftrag erfüllen zu können.

Der öffentliche Personenverkehr:
Die von der EuGH-Rechtsprechung und der Europäischen Gesetzgebung in der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 anerkannte Inhouse-Vergabe (Selbsterbringung oder Direktvergabe an internen Betreiber) wird von der EU-Kommission immer wieder über verschiedenste strategische Handlungskanäle in Frage gestellt, um u. a. den obligatorischen Ausschreibungswettbewerb und damit eine mögliche Privatisierung im Rahmen solcher Marktöffnungen voran zutreiben. Aktuell versucht die EU-Kommission, die o. g. Direktvergabeoption der Verordnung 1370/2007 im Öffentlichen Personenverkehr durch Vorschläge im Rahmen des 4. Eisenbahnpaketes weitgehend zurückzunehmen.7 Das Europäische Parlament hat hierzu in erster Lesung einige Veränderungsvorschläge unterbreitet; der Ausgang des Verfahrens zur Änderung der Verordnung 1370/2007 ist offen.
Die Direktvergabeoption garantiert heute den Gebietskörperschaften unter bestimmten strengen Voraussetzungen, Verkehrsdienstleistungen im Bereich des öffentlichen Personenverkehrs mit Eisenbahnen, Bussen und anderen Bahnen (U-Bahn- und Straßenbahnen) selbst zu erbringen oder an ein eigenes Unternehmen zu vergeben. Es besteht die Gefahr, dass die Verordnung in ihrer Ausnahmewirkung von der obligatorischen Ausschreibung von den TTIPVerhandlungspartnern als Handelshemmnis im Bereich der Dienstleistungen klassifiziert werden wird.
Ein zweiter Gesichtspunkt betrifft die Befugnis der Behörden, besondere oder ausschließliche Rechte an ein Unternehmen zu vergeben und damit Rosinenpickerei im Bereich der Daseinsvorsorge zu verhindern. Dies könnte als Handelshemmnis angesehen werden. Den zuständigen Behörden wäre es bei einer Marktöffnung ohne regulatorische Rahmenvorgaben nicht mehr möglich, klare, verbindliche und durchsetzbare Regelungen zum Schutz und Ausbau von Arbeitnehmerrechten, von Umweltstandards oder sonstigen Qualitätsanforderungen zu stellen. Außerdem wäre die Finanzierung innerhalb der in Deutschland nahezu flächendeckend erreichten Verkehrsverbünde erheblich gefährdet.

Die öffentliche Abfallwirtschaft:
In Deutschland besteht die Wahlfreiheit der Kommunen darin, dass sie selbst entscheiden können, ob sie Leistungen der Abfallwirtschaft selbst erbringen oder ob sie diese Leistungen vergeben wollen. Diese Wahlfreiheit hat sich bewährt und Deutschland zu einem der abfallwirtschaftlich erfolgreichsten Mitgliedsstaaten der europäischen Gemeinschaft entwickelt. Ein durch das TTIP erhöhter Ausschreibungsdruck in einem transatlantischen Binnenmarkt durch eine verschärfte Liberalisierung könnte diese Wahlfreiheit einschränken und die bisherigen Erfolge gefährden. Die in den letzten Jahren praktizierte Rekommunalisierung der abfallwirtschaftlichen Dienstleistungen könnte zudem erschwert werden.
Die Regelungen des Investitionsschutzes im TTIP könnten weitere Bemühungen zur Wertstofftrennung erschweren, wenn amerikanische Firmen auf der Grundlage derzeitiger Gesetzgebung ihre Serviceleistungen, zum Beispiel in Form der Betreibung einer Deponie, bereitstellen. Das auf europäischer Ebene diskutierte und wahrscheinlich geplante Deponierungsverbot für unvorbehandelte Abfälle würde deren Geschäftsgrundlage zunichtemachen. Eine nachträgliche Veränderung der Trennvorgaben, durch Europäische-, Bundes- oder Ländergesetzgebung bzw. Gemeindesatzungen könnte unter den bisher bekannten Regelungen des Investitionsschutzes im TTIP ein Fall für ein Schiedsgerichtsverfahren werden. Damit könnte sich im schlimmsten Fall der derzeitige, unbefriedigende Zustand der europäischen Abfallwirtschaft auf Jahre hinaus zementieren, weil die Mitgliedsstaaten, in denen jetzt noch der größte Teil der Abfälle deponiert wird, die im TTIP vorgesehenen Schiedsverfahren vermeiden möchten.

Das öffentliche Bildungswesen:
In der zweiten Verhandlungsrunde Mitte November 2013 wurde die Forderung der USA deutlich, eine Liberalisierung des europäischen Weiterbildungsmarktes, insbesondere der Erwachsenenbildung, voranzutreiben8. In der Europäischen Union existieren bereits Bildungssysteme mit öffentlichen und privaten Anbietern und es gibt einen Wettbewerb in bestimmten Marktsegmenten, z.B. im Hochschulwesen. In Deutschland garantieren die staatlichen Universitäten den allgemeinen Zugang zu einer umfassenden und qualitativ hervorragenden akademische Ausbildung, die auch dem internationalen Vergleich standhält. Dies ist durch eine umfangreiche staatliche Finanzierung bisher gewährleistet. Dieses System der staatlichen Mittelzuweisung könnte innerhalb der TTIP-Verhandlungen als Marktbeschränkung in den Fokus geraten. Auf Grundlage von Bieterverfahren in einem Bildungsmarkt würden private Universitäten an den staatlichen Mittelzuweisungen partizipieren. Dies hätte Auswirkungen auf die staatliche Bildungsstruktur.
Die öffentlichen Krankenhäuser und Rettungsdienste:
Im Bereich der öffentlichen Krankenhäuser und Rettungsdienste könnten die staatliche Krankenhausplanung und das entsprechende Verfahren zur Aufnahme in den jeweiligen Krankenhausplan eines Landes als staatliches Hemmnis privater Investitionen in diesem Bereich "öffentlicher Dienstleistungen" angesehen werden. Eine vollständige Liberalisierung des Krankenhaussektors als Folge eines TTIP-Abschlusses könnte den gesetzlichen Auftrag zur Gewährleistung einer qualitativ hochwertigen medizinischen Grundversorgung durch kommunale Krankenhäuser aushöhlen, wenn staatliche Beihilfen erschwert werden.

Das öffentliche Kulturwesen und die Kulturwirtschaft:
Kulturgüter und -dienstleistungen haben einen besonderen, doppelten Charakter. Sie sind einerseits Wirtschaftsgüter und andererseits Träger von kultureller Identität und kulturellen Werten. Kulturgüter und -dienstleistungen werden von erwerbswirtschaftlichen Unternehmen, von öffentlich geförderten Institutionen, von durch Gebühren finanzierten Einrichtungen sowie durch Kultureinrichtungen in Trägerschaft der öffentlichen Hand erbracht. Dabei bestehen innerhalb des Kultursektors, zu dem auch der Bereich der audiovisuellen Medien gehört, zahlreiche Verschränkungen.
Die bestehenden Förderinstrumente auf europäischer und nationaler Ebene für den Kultur- und Mediensektor dürfen durch das Freihandelsabkommen nicht angetastet werden. Das gilt für die Förderinstrumente im erwerbswirtschaftlichen wie im nicht-gewinnorientierten Sektor. Diese Förderinstrumente müssen weiterhin zielgerichtet für europäische oder nationale Unternehmen und Institutionen eingesetzt werden können. Die Ausnahme darf sich nicht allein auf die bestehenden Förderinstrumente beziehen, sondern muss neue, noch entstehende Förderinstrumente erlauben, um zukunftsfähig zu sein. Sowohl direkte als auch indirekte Fördermaßnahmen müssen weiterentwickelt werden können, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Kultur- und Medienproduktion zu gewährleisten.

(Ich bedanke mich insbesondere dem Bundesverband d. öffentl. Dienstleistungen für die zur Verfügung gestellten Materialien)
Kaktusblüte
 
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Re: Die Krise in Europa und die öffentliche Hand

Beitragvon Grünrock am Mi 4. Mai 2016, 10:49

@Kaktusblüte, dass ist sehr gut zusammengetragen. Einen solchen Bericht über TTIP und die Öffentlichen habe ich noch nicht so gesehen. Glückwunsch!

Ich habe hier ähnliche, aber sehr verkürzte Hinweise zu TTIP und der öffentlichen Verwaltung und öffentlichen Wirtschaft gefunden:

"Die öffentliche Daseinsvorsorge wird für internationale Unternehmen zugänglich

In einem ersten Positionspapier stellt die EU-Kommission klar, dass die öffentliche Daseinsvorsorge auf allen Ebenen geöffnet werden soll, speziell die Öffentliche Auftragsvergabe soll dereguliert werden. Das bedeutet beispielsweise, dass sich ein Texanisches Unternehmen auf die Ausschreibung einer Kleinstadt im Schwarzwald bewerben kann. Auch könnten bei öffentlicher Auftragsvergabe ökologische wie soziale Faktoren kaum mehr berücksichtigt werden.

Folglich würde für die Wasserversorgung einer Stadt der kommunale Anbieter nicht gegenüber dem ausländischen Konzern bevorzugt. Es ist zu erwarten, dass es infolge von TTIP zu einer Privatisierungswelle kommt, die auch vor elementaren Dingen wie Infrastruktur und Trinkwasser nicht Halt macht.
Die Folgen solcher Privatisierungen sind hundertfach bekannt: steigende Preise bei sinkender Qualität.

Auch der Dienstleistungssektor soll liberalisiert und damit für Privatisierung geöffnet werden.
Im Augenblick wird parallel zu TTIP das Abkommen TiSA (Trade and Service Agreement) verhandelt, welches den Dienstleistungssektor für ausländische Investoren öffnen soll.
Das fatale ist, dass nicht die im Vertrag genannten Bereiche liberalisiert werden, sondern alle nicht explizit vermerkten Bereiche. Das bedeutet, dass alles, was nicht auf einer „Negativliste“ vermerkt ist privatisiert werden kann. Was ausgeschlossen wird weiß man natürlich erst NACHDEM das Abkommen in Kraft ist, denn die Verhandlungen sind geheim. Einerseits hatte die Liberalisierung öffentlicher Dienstleistungen wie Bildung, Nahverkehr und Gesundheitsvorsorge in der Vergangenheit durchaus negative Auswirkungen für die Bürger. Andererseits könnte sich die Situation für die in den betroffenen Dienstleistungen Beschäftigten dramatisch verschlechtern, sollten Standards im Arbeitsrecht mit TTIP erwartungsgemäß an amerikanische Verhältnisse angenähert werden (die USA haben einige ILO-Normen nicht unterzeichnet, z.B. das Recht Gewerkschaften zu bilden oder eine Garantie für geschlechtsunabhängiges Gehalt)"
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