Kalkulation - Abwasser

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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon jop am Fr 1. Jun 2018, 12:52

Romulus hat geschrieben:Nun setzt der Herr Staatsminister noch ordentlich einen drauf, indem er feststellt, dass die Abschreibungserlöse zum Zeitpunkt der notwendigen Ersatzinvestition nicht in Form von Geld vorhanden sein müssen. Das bedeutet der Bürger muß die Anlage zum dritten Mal bezahlen.


Nö. Die Abschreibungserlöse müssen zum Zeitpunkt der notwendigen Ersatzinvestition nicht in Form von Geld vorhanden sein. Wer sollte das vorschreiben? Wenn der AZV z. B. expandiert, wird er seine Mittel u. a. zur Geschäftsfelderweiterung einsetzen. Hat er gut gewirtschaftet, kann er die Ersatzinvestition z. B. über Darlehn finanzieren, da er für die Bank kreditwürdig ist. Ist die Investition der Geschäftsfelderweiterung wirtschaftlich, dann rechnet sich diese auch wieder … und so weiter und so weiter. ;) Also wie in jedem Reproduktionsprozess. Dieser ist aber eben mit einer Investition und der immer wieder folgenden Refinanzierungen für die EINE INVESTITION nicht abgeschlossen.

Auch die Finanzierung der Ersatzinvestition über Darlehn kann wirtschaftlich gestaltet werden und der Bürger muss die "Schitt-Rohre" eben nicht erneut bezahlen.

Gerade diejenigen AZV, die sich das Geld unter das Kopfkissen legen, werden über kurz oder lang ein Problem haben. Sie wachsen nicht mehr und werden deshalb nicht überleben. Das ist u.a. deshalb so, da es eine Progression der Kosten gibt, welche das Wachstum und höhere Wachstumsraten der Unternehmungen erfordern. Dabei ist es aber richtig, wass die Foristi vor mir sagten. Unwirtschaftliches Wachsum auf Kosten der Bürger ist kontraproduktiv und auch endlich.

Das bedeutet aus meiner Sicht. Es kommt auf die Wirtschaftlichkeit der Investitionen und auf die Gesamtwirtschaftlichkeit der Unternehmung an.
jop
 
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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon Romulus am Fr 1. Jun 2018, 13:30

Hallo frst!

Ich habe keine Wünsche. Ich habe die Forderung auf Klarheit und Wahrhaftigkeit.
Was meinst Du mit der Aussage: „Verbände haben ... Abschreibungen ... zu realisieren.“? Abnutzungen, und damit Wetminderungen treten doch ohne Zutun eines Bediensteten ein, und zwar selbst dann, wenn das Anlagegut gar nicht benutzt werden sollte. Auch werden die AHK nicht auf die Jahre der Nutzungsdauer eines Anlagegutes verteilt, sondern die unweigerlich eintretende Wertminderung des Anlagegutes wird periodisiert, und zwar i.d.R. linear. Die AHK bleiben selbst dann bestehen, wenn Anlagegut über die planmäßige Nutzungsdauer weiter betrieben werden sollte, was häufiger vorkommt. Erst, wenn das Anlagegut aus dem Prozess Abwasserentsorgung und -reinigung tatsächlich ausscheidet, werden die AHK und die dazugehörigen kumulierten Abschreibungen ausgebucht.
Den ständigen Kreislauf aus Geldvermögen wird Anlagevermögen, aus Anlagevermögen wird über verdiente Abschreibungsgegenwerte wieder Geldvermögen und das kontinuierlich über die gesamte Nutzungsdauer hinweg, stelle ich gar nicht in Frage. Ein weiterer Punkt: Disharmonien von Ein- und Auszahlungsströmen lassen sich durch die Aufnahme und die Tilgung von Kassenkrediten beseitigen.
Selbstverständlich ist auch, dass über Abschreibungsgegenwerte zugeflossene Liquidität zwischenzeitlich für andere aufgabengebundene Investitionen und für andere zweckgebundene Ausgaben, z. B. Für Instandhaltungsaufwendungen, eingesetzt werden darf. Das ändert aber nichts daran, dass eine Abwasserreinigungsanlage und das Rohrnetz eines Tages vollständig erneuert werden müssen und die bereits vereinnahmten Gelder hierfür vom Aufgabenträger zur Verfügung zu stellen sind und nicht noch einmal von den Bürgern. Die nächste Generation hat die Amortisation der neuen Anlagen zu bezahlen. Auch das ist unstrittig. Mehr als die Amortisation hat die nächste Generation, nicht zu zahlen. Es sei denn, die Verunreinigung von Gewässern durch pharmazeutische Produkte nimmt weiter zu und erfordert eine völlig andere Technologie, beispielsweise eine vierte hochkomplexe Reinigungsstufe. Dann sind zusätzliche Anschlussbeiträge zur Bildung von höherem Betriebskapital überhaupt denkbar.
Wenn der Herr Staatsminister antwortet, Beiträge und Gebühren sind allgemeine Deckungsmittel eines Haushalts, so meint er hiermit, Beiträge und Gebühren stehen, wie Steuern, zur Deckung für alle Arten von Ausgaben stets zur Verfügung. Auch hier kann ich ein Stück mitgehen. In einem Mehrprodukthaushalt kann der Produkthaushalt A, wie Abwasser, dem Produkthaushalt K, wie Kita, natürlich seine finanziellen Überschüsse vorübergehend verzinslich zur Verfügung stellen, aber eben nicht zum Verlustausgleich und nicht als dauerhalfte Deckungsmittel. Ein solches Ausleihen ist eine ganz besondere, hocheffektive Form des Sparens.
Wer alle Einnahmen als Deckungsmittel für alle Ausgaben einsetzen will, der muß sich eine Mehrheit suchen für die Aufhebung des sehr bewährten Dreiklangs Steuern = allgemeine Deckungsmittel, Beiträge = Abgaben für die Schaffung der Nutzungsmöglichkeit von spezieller Infrastruktur, Benutzungsgebühren = Entgelte des Bürgers für die tatsächliche Nutzung der bereitgestellten Infrastruktur. Anders formuliert, wenn alle Abgaben tatsächlich allgemeine Deckungsmittel sind, kann ich die deutsche Verwaltung extrem schlank machen, in dem ich Beiträge und Gebühren abschaffe und stattdessen die Steuern erhöhe. Alles andere ist kein Dreiklang sondern Disharmonie.
By the way:
Bei Eigenbetrieben stellt sich die Frage der Zweckentfremdung von Einnahmen gar nicht in scharfer Form. Haben solche Aufgabenträger doch häufig nur einen wohldefinierten Zweck. In öffentlichen Haushalten, mit häufig mehr als einem Dutzend Produkthaushalten, spielt das Thema dauerhafte Quersubventierung oft die Erste Geige. Für heute Schluss mit der Musik.
Ein schönes Wochenende!
ROMULUS
Romulus
 

Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon rose am Fr 1. Jun 2018, 13:37

Hi, jetzt hackt doch mal nicht alle auf Romulus rum. Ich kenne auch Abwasserzweckverbände, und das sind nicht wenige, mit denen die Leute nicht zufrieden sind. :mrgreen: Dort werden die angeschlossenen immer wieder zur Kasse gebeten und den Verantwortlichen haut keiner auf die Finger. Von wegen Rechtsaufsicht. Warum das so ist, kann sich jeder selber denken.
Das Geschäftsmodell mit den Abwasserzweckverbänden sollte insgesamt überdacht werden. Aus meiner Sicht bestehen da mehrerer sehr schwere "Konstruktionsfehler". Wurde hier schon angesprochen. Tatsächlich demokratisch ist das nicht aufgebaut.
Wenn schon die Verbandsmitglieder durch deren BM ganz entscheidenden Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit des Verbandes ausüben können, sollten dann auch die Mitglieder die Konsequenten des Handelns tragen und nicht die angeschlossenen Bürger. Das ist doch ganz einfach. Machen die BM politische Preise zu den Gebühren müssen sie auch das fehlende Kapital aus der Gemeindekasse nachschießen, als Konsequenz ihres Handelns. Dann müssen Sie das auch Ihren Bürgern erklären und werden deshalb gewählt oder eben auch nicht. Der angeschlossene Bürger kann doch hier nicht in Sippenhaft genommen werden. Das regt die Leute auf - diese Ungerechtigkeit und das Ausnutzen der staatlichen Macht. Aus meiner Sicht endet das böse. Die Quittung dafür haben wir z. T. bereits und es wird z. Z. nicht besser.

So, nun habe ich auch mal meinen Senf dazugegeben. Egal ob er euch schmeckt.
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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon frst am Fr 1. Jun 2018, 14:19

Hallo Romolus.

Wir sind da gar nicht im Streit. Mit Klarheit und Wahrhaftigkeit kommen wir gut zusammen. :lol:

Nur - was sollte denn der Staatsminister in diesem Falle wirklich sagen? Der AZV oder Abwasserbetrieb musste nach Gesetz "die Abschreibungserlöse zum Zeitpunkt der notwendigen Ersatzinvestition nicht in Form von Geld" … vorhalten. Falsch ist DAS nicht. Die AZV oder Abwasserbetriebe führen eine Aufgabe der Kommunalen Selbstverwaltung aus. Solche Aufgaben kann er nur in ihrer Durchführung bemängeln, wenn gesetzliche Normen oder verwaltungsrechtliche Vorschriften nicht eingehalten werden.

Bei der Amortisation werden die anfänglichen Aufwendungen für ein Objekt durch dadurch entstehende Erträge gedeckt. Warum sollte deshalb die nächste Generation nur dazu herangezogen werden? Wenn die Erträge viel zu niedrig angesetzt wurden, dann kann bereits eine Generation auch beliebige mal herangezogen werden. Das wäre auch dann der Fall, wenn Missmanagement bei der Abwasserversorgung vorherrscht. Rose hatte mit ihren Worten und auch in ihrer besonderen Art bereits etwas dazu gesagt. Aber es geht auch nach meiner Meinung nicht an, dass der Bürger, der nur in Form von ihm nicht ausgewählten Gemeinderatsmitglieder in der Vollversammlung des AZV vertreten oder auch nicht vertreten wird, für die Entscheidungen des Verbandsvorstandes oder die der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit der Geschäftsführer des AZV in monetäre Haftung genommen werden kann. Die Gesellschafter und hier die Mitglieder haben die Nachschusspflicht und nicht die Bürger der Mitglieder. Dort wo die Verantwortung wahrgenommen wird, müssen auch die Konsequenzen dazu erfolgen. Hier nimmt man den Bürger für Entscheidungen in die direkte Haftung, die er nicht oder nur in ganz geringer Weise und dann auch nur mittelbar beeinflussen konnte.

Ich kann mir gut denken, was mit der kleinen Anfrage eigentlich gemeint war. Dann muss man das aber anders formulieren und sollte sich über die zu erwartende Antwort nicht wundern. Meine ich mal so, ohne den Staatsminister die Rede zu reden. Da sehe ich in Sachen z. Z. auch einiges sehr kritisch und hoffe, man bekommt die Kurve noch. Sonst wird es sehr bitter, und nicht nur in Sachsen.
frst
 
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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon Romulus am Do 7. Jun 2018, 21:44

Hallo Hansa,
Nehmen wir an, auf der grünen Wiese soll eine Abwasserreinigungsanlage (ARA) errichtet werden. Kosten 24 Mio €. Der Aufgabenträger, eine Kommune oder ein Abwasserzweckverband, hat nun drei Finanzierungsmöglichkeiten:
1. Der Aufgabenträger verfügt über 24 Mio € Eigenkapital, die in flüssigen Mitteln gebunden sind.
Aus Geldvermögen wird durch die Investition 24 Mio € Anlagevermögen. Das Eigenkapital bleibt selbstverständlich gleich. Bei öffentlichen Aufgabenträgern sind der Ursprung von Eigenkapital immer die Abgaben der Bürger, also i. d. R. eine Mischung aus Steuern, Beiträgen und Gebühren. Wenn ich auf der grünen Wiese starte (Erstinvestition) kann das Eigenkapital nur durch Steuern und/oder Beiträge entstanden sein.
Nun benutzen die Bewohner die fertiggestellte ARA und das Kanalisationnetz und zahlen dafür Benutzungsgebühren. Diese enthalten als eine von vielen Kostenkomponenten auch die Abschreibungsgegenwerte. Der Bürger zahlt also die ARA ein zweites Mal, damit der nächsten Generation eine intakte modernisierte Anlage oder eine neue Anlage zur Verfügung steht. Hier gibt es m. E. nichts zu beanstanden. Das ist generationengerecht, da der Kreislauf - der Bürger stellt über Steuern und Beiträge das notwendige Geld zur ARA-Erstschaffung zur Verfügung und stellt über die ARA-Nutzungsdauer die Gelder für eine sukzessive oder abrupte Erneuerung zur Verfügung - geschlossen ist.
Anders ausgedrückt aus Geld wird Anlagevermögen und aus Anlagevermögen wird wieder Geld ... usw. Der Kreislauf funktioniert wunderbar und alle könnten glücklich sein.

Entzieht man nun diesem Kreislauf das stetig zufliessende Geld endgültig, weil man meint, Beiträge und Gebühren seien allgemeine Deckungsmittel, so stehen für eine Ersatzbeschaffung diese entzogenen Gelder nicht zur Verfügung. Die Lücke muss durch Kredite geschlossen werden. Jetzt muss der Bürger nicht nur völlig korrekt die neuen Abschreibungsgegenwerte aus der neuen ARA bereitstellen, sondern auch die komplette Annuität.
Sagt man nun, die Annuität kann ja durch die verdienten Abschreibungen bedient werden, so bildet man eine nächste Finanzierungslücke für zukünftige Generationen; also Perioden- und Generationengerechtigkeit ade.

2. Der Aufgabenträger braucht 24 Mio € und verfügt über 12 Mio € Eigenkapital aus Steuern und/oder Beiträgen.
Ein Kredit von 12 Mio € muss bereits für die Erstinvestition aufgenommen werden. Diese Annuität muss bedient werden. Die Aussagen und Konsequenzen unter 1. ändern sich nur insofern, dass es nun für den Bürger noch härter kommt.

3. Wenn man bei einer Erstinvestition vollständig fremdfinanzieren muss und trotzdem dem oben beschriebenen Kreislauf Geld dauerhaft entzieht, ist die Katastrohpe vorprogrammiert. Der Bürger muss ständig dreimal zahlen.
Häufige, nahezu vollständige Fremdfinanzierung durch Investitionskredite kann nur noch getopt werden, indem man Daueraufgaben durch Kassenkredite finanziert, was viele Kommunen in Deutschland leider tun.
Euer Innenminister stammt aus dem Ruhrgebiet. Eigentlich müßte er anderes argumentieren, denn er weiß sicherlich, dass die Ruhrgebietskommunen auch durch ihr nachhaltiges Fehlverhalten bankrott sind.
Der Gesetzgeber erlaubt eben nicht Beiträge und Gebühren einer „Kostenrechnenden Einrichtung“ dauerauerhaft zu entziehen und wenn aus wichtigem wirtschaftlichen Grund temporär entzogen wird, hat die empfangende Kostenrechnende Einrichtung der sendenden Zinserträge in Höhe des kalkulatorischen Zinssatzes gutzuschreiben und die finanzielle Unterstützung dann zurückzuzahlen, wenn der Sender - hier die ARA - das Geld benötigt.
Macht es wie die Bayern, dann geht es auch den Sachsen gut.
Gruß Romulus
Romulus
 

Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon Hansa am Mo 11. Jun 2018, 15:20

Hallo Romulus.
So hatte ich dich bereits verstanden. OK. Soweit so gut oder so schlecht. Von welcher Seite man es eben betrachtet.
Aus meiner Sicht hat der von Dir benannte Minister aber damit zunächst wenig zu tun. Streiten könnte man darüber, ob seine Erläuterungen aus betriebswirtschaftlicher Sicht oder aus Sicht der Regelungen der Sächsischen Eigenbetriebsverordnung ganz glücklich waren. Das ist in der von Dir vorgetragenen Sache aber gar nicht entscheidend. Der Abwasserzweckverband ist ein Zusammenschluss von Gemeinden zu einem Zweckverband, der diesen die zum Bereich der kommunalen Selbstverwaltung zählende Aufgabe der Abwasserentsorgung abnimmt. Dazu hat der AZV die Organe der Verbandsversammlung und den Verbandsvorstand. Die Organe entscheiden über die Verwendung der Mittel. Wer, wann und auf Grund welcher Beschlusslage z. B. Gelder aus dem von dir benannten Reproduktionsprozess (wohin und zu welchem Zweck auch immer) entzieht, können nur die Organe bestimmen. Sonst niemand anderes - auch kein Staatsminister. ;)
Wird durch die Organe schlecht gewirtschaftet oder die Beiträge und Gebühren werden nicht kostendeckend bemessen (aus welchen Gründen auch immer), stehen die erforderlichen Mittel nicht oder nur ungenügend im Reproduktionsprozess wieder zur Verfügung. Schlussendlich wird die Ersatzinvestition nicht erwirtschaftet. Das kann dann zu den Folgen führen, die du benannt hast.

Viele Grüße von der sonnigen Ostseeküste.
Hansa
 
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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon Romulus am Di 12. Jun 2018, 11:43

Hallo Hansa,
ein Vorstand/eine Geschäftsführung kann eben nicht entscheiden wie sie gerade will.
Der Minister ist die höchste Aufsichtsinstanz und ist an die deutsche Finanzverfassung gebunden.
Der sächsiche Innenminister hat behauptet, Gebühren und Beiträge seien allgemeine Deckungsmittel eines Haushalts. Wenn das so wäre, dann werden Gebühren und Beiträge zu Steuern. Das darf aber nicht sein.
Herzliche Grüße an die sonnige Ostsee
Romulus
Romulus
 

Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon c_g am Do 14. Jun 2018, 14:23

Romulus hat am 1.6.18 geschrieben, Zitate:
1. Ich habe keine Wünsche. Ich habe die Forderung auf Klarheit und Wahrhaftigkeit.
2. Abnutzungen, und damit Wertminderungen treten doch ohne Zutun eines Bediensteten ein
3. Auch werden die AHK nicht auf die Jahre der Nutzungsdauer eines Anlagegutes verteilt, sondern die unweigerlich eintretende Wertminderung des Anlagegutes wird periodisiert
4. Erst, wenn das Anlagegut aus dem Prozess Abwasserentsorgung und -reinigung tatsächlich ausscheidet, werden die AHK und die dazugehörigen kumulierten Abschreibungen ausgebucht.
5. Disharmonien von Ein- und Auszahlungsströmen lassen sich durch die Aufnahme und die Tilgung von Kassenkrediten beseitigen.
6. Das ändert aber nichts daran, dass eine Abwasserreinigungsanlage und das Rohrnetz eines Tages vollständig erneuert werden müssen und die bereits vereinnahmten Gelder hierfür vom Aufgabenträger zur Verfügung zu stellen sind
7. Die Betrachtung von Romulus zu: Dreiklang Steuern = allgemeine Deckungsmittel, Beiträge = Abgaben für die Schaffung der Nutzungsmöglichkeit von spezieller Infrastruktur, Benutzungsgebühren = Entgelte des Bürgers für die tatsächliche Nutzung der bereitgestellten Infrastruktur
Selten wurden in einem Beitrag so viele Informationen und Zusammenhänge (besonders für Laien) so knallhart rüber gebracht.
Danke Romulus, mach weiter so.
c_g
 
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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon Hansa am Fr 15. Jun 2018, 12:08

Hallo Romulus.

Entschuldige, dass ich erst jetzt dazu komme, auf Deinen Beitrag vom Dienstag einzugehen. Leider bin ich arbeitsbedingt, in letzter Zeit immer etwas in Zeitnot.

Ich hoffe, dass wir von der Küste eine Ahnung von Wasser, vielleicht sogar von Abwasser haben könnten. :lol:

Zu Deiner Problemstellung:

Deckungsmittel sind finanzielle Mittel, die zur Finanzierung im Haushalt veranschlagter Auszahlungen dienen. Zu ihnen gehören primär die Steuern, die speziellen Entgelte, die sonstigen Einzahlungen, sowie Mittel aus Kreditaufnahmen.

Nach dem Gesamtdeckungsprinzip dienen grundsätzlich alle Einzahlungen zur Deckung aller Auszahlungen. Nur in besonderen Fällen werden Zweckbindungen zwischen einzelnen Einzahlungsarten und spezifischen Auszahlungen im Haushalt verankert.

Dabei wäre nun die Frage zu beantworten, ob und inwieweit eine Zweckbindung des Gebühren- oder Beitragsaufkommens im Haushalt besteht oder verfassungsrechtlich geboten erscheint?

Zunächst ist es so, dass nach allgemein geltender Ansicht eine Zweckbindung des Gebühren- und Beitragsaufkommens verfassungsrechtlich NICHT geboten ist. Für das gesamte Haushaltsrecht und so z. B. auch des Gebührenaufkommens gilt das Prinzip der Non-Affektation. Eine Zweckbindung bedarf der gesetzlichen FESTLEGUNG.
Wenn Du mir die gesetzliche Feststellung bitte zeigen kannst, wären wir einen Schritt weiter. Es steht allen Parteien und politischen Bewegungen offen, eine solche Zweckbindung gesetzlich herbeizuführen. Es nutzt aber nichts, zu einer solchen Regelung mit Anfragen bei den Parlamenten nur zu schwadronieren. Dann muss man auch den Willen und die Kraft haben, das politisch zu bewegen und gesetzlich eine Zweckbindung durchzusetzen. Das ist aber offensichtlich bisher nicht der Fall.

Um das ein wenig für die anderen Foristi und Gäste unseres Forums deutlicher zu machen:

Es wird seit Jahrzehnten versucht, normative Schranken der Abgabenerhebung, sozusagen aus dem Wesen eines bestimmten Abgabentyps einfach so mal ins Blaue hinein, herzuleiten. Das betrifft z. B. die Gebühren. Das ist aber grundsätzlich abzulehnen, da normative Anforderungen nur aus konkreten Rechtssätzen und eben nicht aus dem Wesen einer Sache folgen. Es reicht also nicht, eine politische Meinung zur Zweckbindung zu vertreten. Daraus ergibt sich noch lange keine gesetzliche Norm - es bleibt eine, wie auch immer geartete Auffassung.

Nun wäre zu untersuchen, ob und inwieweit die Gebühren und Beiträge in den Haushaltssatzungen der sächsischen AZV zweckgebunden sind. Das sind sie sicher nicht, da dafür die gesetzliche Grundlage fehlt. Auch hier wäre das nicht allgemein zu diskutieren, sondern einfach anhand der Haushaltssatzung zu vollziehen und hier einmal vorzulegen.

Letztlich, und da willst Du sicher mit Deiner Diskussion hin, wäre das Problem der Sonder- und Vorzugslasten zu untersuchen.

Um es für unsere Foristi und Gäste schnell zugänglich zu machen, hier kurz zur Definition:

Der Begriff der Vorzugslast entstammt der Unterscheidung von Gemeinlast und Sonderlast. Das sind die Grundformen der öffentlichen Lasten. Dabei ist es so, dass die Gemeinlast allen, z. B. durch Steuern auferlegt wird und die Sonderlasten werden nur bei einem Teil der Abgabenpflichtigen erhoben. Eine Form der Sonderlast ist dann eben die Vorzugslast. Bei der Vorzugslast handelt es sich z. B. um die Sonderlasten-Gebühr und den finanzrechtlichen Beitrag. Die Vorzugslast ist somit eine öffentliche Abgabe, die z. B. dem Ausgleich von Vorteilen dient, die der jeweils Pflichtige durch eine öffentliche Einrichtung, dem Beitrag oder der Tätigkeit, der Gebühr erzielt. Soweit nur kurz zur Definition in dieser Sache, dass wir zum Schluss auch verstanden werden. Hier gehrt es mir nicht um Schulmeisterei. Man kann das von der Definition sicher noch genauer machen aber aus meiner Sicht langt das für den Zweck hier sicher schon aus.

Die Finanzverfassung im engeren Sinne der Art. 104 – 108 Grundgesetz setzt der Erhebung von Vorzugslasten KEINE ausdrücklichen Grenzen. Das zunächst deshalb nicht, da das Gemeindefinanzierungssystem nur im Hinblick auf Steuereinnahmen bzw. der Steuermittelzuweisungen Gegenstand dieser Regelungen sind.

Das heißt aber noch nicht, dass der Finanzverfassung keine Feststellungen zu nicht-steuerlichen Abgaben entnommen werden könnten. Aber dem Artikel 105 und den folgenden Artikeln ist explizit nicht zu entnehmen, ob eine Sonderlast in verfassungsrechtlicher Weise die Steuerverfassung unterlaufen könnte. Also auch hier „Fehlanzeige“.

Das Bundesverfassungsgericht hat sich dem Problem zugewendet und hat die drei hinlänglich bekannten, grundlegenden Prinzipien entwickelt:

1. Nichtsteuerliche Abgaben bedürfen über die Begründung des Zwecks der Einnahmeerzielung hinaus einer sachlichen Rechtfertigung.
2. Nichtsteuerliche Abgaben sollen der Belastungsgleichheit Rechnung tragen.
3. Nichtsteuerliche Abgaben berühren den Verfassungsgrundsatz der Vollständigkeit des Haushaltsplanes – der Überblick über die Verfügbarkeit des Finanzvolumens und die Abgabenlast der Bürger – müsse bestehen.

Fazit:

Aus der Finanzverfassung selbst, der Gesetzgebung und der anerkannten Rechtsprechung ist keine konkrete Zweckbindung oder Zweckbindungsabsicht ersichtlich.
Es besteht, zugegebener Maßen, bei politischen Parteien und politischen oder Bürger-Bewegungen die Absicht und der Wille eine solche Zweckbindung gesetzlich zu verankern. ABER der Wille und die Absicht ist nicht hinreichend.
Es geht bei Dir nach der von mir vertretenen Auffassung nicht um die Einhaltung gesetzlicher Normen, sondern um politische Auffassungen zur Zweckbindung von Gebühren und Beiträgen in haushaltsrechtlicher Sicht. Der Staatsminister muss sich aber an Recht und Gesetz halten. Für Meinungen und Auffassungen bleibt ihm dabei kein Raum.
Nach dem Gesamtdeckungsprinzip dienen nach wie vor grundsätzlich alle Einzahlungen zur Deckung aller Auszahlungen.
Zuletzt geändert von Hansa am Fr 15. Jun 2018, 13:55, insgesamt 5-mal geändert.
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Re: Kalkulation - Abwasser

Beitragvon frst am Fr 15. Jun 2018, 13:33

c_g hat geschrieben:Romulus hat am 1.6.18 geschrieben, …
Selten wurden in einem Beitrag so viele Informationen und Zusammenhänge (besonders für Laien) so knallhart rüber gebracht.
Danke Romulus, mach weiter so.


OK c-g: Ein wenig Mut solltest Du Romulus schon zusprechen. Das ist ganz in Ordnung. Nicht, dass er uns hier gleich eingeht wie eine Primel. :lol:
Aber "knallhart" ist schon etwas anderes. Denn bei den AZV geht es letztlich nicht nur um das Abwasser - sondern eben auch um die Kohle und insbesondere um unser Bestes - sowie deren Verwendung - gell. Ich verstehe schon was von Ihm gemeint ist. Aber - das Geld ist doch nicht weg - denn es verschwindet nicht so mir nichts - dir nichts - ist eben halt nur woanders. Deshalb ist die Frage auch - wo ist es denn hin, das liebe Geld? Und wer hat denn das tatsächlich zu vertreten?
Ich stimme da schon unserem Küstenbewohner zu, ein bissel mehr Butter bei die Fische wäre nicht schlecht. Denn in der Sache geht es nicht um Auffassungen zur betriebswirtschaftlichen und auch verwaltungsrechtlichen Einordnung von Beiträgen und Gebühren für das Abwasser - sondern um tatsächlich belastbare Fakten, rechtliche Normen und die anerkannte Rechtsprechung dazu.
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