Haushaltsausgleich ab 2017

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Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon jop am Di 5. Jan 2016, 12:25

Das Thema brennt tatsächlich unter den Nägeln. Viele Gemeinden in unserem Kreis werden den Haushaltsausgleich im Jahr 2017 nicht mehr schaffen. Eigentlich war das klar, denn auch ohne die Refinanzierung des Anlagevermögens waren eine Reihe von Gemeinden dazu nicht mehr in der Lage. Ich zitiere einfach einmal:

"Über die Ursachen der Finanzknappheit wird in den betroffenen Gemeinden seit vielen Jahren diskutiert. Hier wirft die jeweilige Opposition der Mehrheit gern Misswirtschaft und unnötige Ausgaben vor. Diese verweist seinerseits vor allem auf die Wirkungen der europäischen Wirtschafts- und Finanzkrise, die demographische Situation und heuer auch auf die zusätzlichen Lasten der Flüchtlingskrise. Gemeinsam ist beiden Erklärungsansätzen, dass Besserung möglich scheint. Objektiv erkennbar ist aber, dass eine wachsende Zahl der Kommunen mit dem anhaltenden Ausgabenwachstum zunehmend überfordert wird oder die Leistungsfähigkeit der Gemeinden, z. B. wegen des demographischen Wandels dauerhaft eingeschränkt bleibt. Eine Betrachtung über eine längere Zeit zeigt so u. a., dass die Ausgaben der Kommunen für soziale Leistungen kontinuierlich und oft überproportional zugenommen haben.

Mit diesem Anstieg der Belastungen hielten die kommunalen Einnahmen nicht immer und in allen Regionen Schritt. In den 30 Jahren von 1980 bis 2010 stieg z. B. das nominale Bruttosozialprodukt um 216 %, die kommunalen Steuereinnahmen dagegen um 130 %. Die Zuweisungen von Bund und Ländern wuchsen im gleichen Zeitraum um 120 %. Soziale Leistungen der Kommunen stiegen im gleichen Zeitraum aber um ca. 340 %. Das bedeutete für viele Kommunen, dass sie ihre Ausgaben mehrfach umschichten mussten, um die Kosten sozialer Leistungen tragen zu können. Darüber hinaus schwankten die Steuereinnahmen der Gemeinden weit überproportional mit der Konjunktur. Die Erfahrungen von 2007 bis 2012 zeigen, dass schon eine geringe Abflachung des Wachstums zu einem regelrechten Einbruch, insbesondere bei der Gewerbesteuer führt. Selbst große Konjunkturprogramme konnten nicht umfassend Abhilfe schaffen. Die kommunalen Haushalte waren und sind konjunkturell sehr anfällig, was den Planungs- und Entwicklungsprozess in den Kommunen nicht erleichtert.

Die wirtschaftliche Entwicklung und der demographische Wandel sind regional sehr differenziert zu bewerten. So kann die Leistungsfähigkeit von Gemeinden in wirtschaftlich schwachen Regionen bereits nachhaltig eingeschränkt sein - dies ganz unabhängig von der gegenwärtigen Größe dieser. Auch durch die sich weiter ausprägende intraregionale Bevölkerungsverschiebung zugunsten des Umlandes, die Akkumulation sozial Benachteiligter in den Kernstädten, die Finanzierung der Infrastruktur in den großen Wirtschaftszentren ohne Beteiligung des davon profitierenden Umlandes, sowie den z. T. ruinösen Wettbewerb zur Ansiedlung von Unternehmen und Einwohnern werden zunehmend auch die Wachstumszentren in immer größere monetäre Schwierigkeiten gelangen lassen. Die finanzielle und funktionale Auszehrung wird damit auch einen erheblichen Teil der mittleren und großen Städte so weit schwächen, dass sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht mehr in der Lage sind - selbst notleidend werden. Ein solcher Trend ist bereits erkennbar, dem entschiedener und rechtzeitig entgegenzutreten wäre.

Auch der Einbruch bei den Investitionen ist für die Kommunen von Bedeutung. 1980 konnten die Kommunen mehr als 30 % ihrer Mittel für Investitionen verwenden. Derzeit sind es ca. 15 %. Diese Entwicklung verläuft entgegengesetzt zu der bei den Ausgaben für die sozialen Leistungen. Heute liegen die kommunalen Gesamtinvestitionen nominal unter denen von 1980.

Nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Urbanistik haben die deutschen Kommunen seit 2003 bei Vermögen und Infrastruktur die Ersatzinvestitionen nicht mehr aufgebracht, die zum Ausgleich der Abschreibungen erforderlich gewesen wären.

Das neue, kaufmännisch orientierte Haushaltsrecht fordert deshalb von den Kommunen während der Nutzungszeit den Investitionsbetrag zu refinanzieren, der über das Eigenkapital finanziert wurde. Viele Kommunen waren bei Betrachtung ihrer ersten Eröffnungsbilanz erstaunt zu sehen, was Ihnen ohne schon bekannte Ansprüche belastet zu sein, tatsächlich noch verbleibt, bzw. ihnen noch selbst gehört. Dabei wurden und werden im alten wie im neuen Haushaltsrecht Investitionsbeiträge, welche die Gemeinde aus Beiträgen und Zuweisungen finanzieren, während der Nutzungszeit nicht refinanziert. Die ertragswirksame Auflösung der passivierten Beiträge und Zuweisungen bewirkt diesen Verzicht. Während auf der einen Seite die Abschreibungen in voller Höhe als Aufwendungen wirken, verringern die Auflösungsbeiträge die Belastungen für die Kommunen. Deshalb ist das neue Haushaltsrecht noch weit davon entfernt, den vollen Ersatz der verzehrten Ressourcen oder Generationengerechtigkeit zu verlangen."


Besser hätte ich den Prozess auch nicht beschreiben können. Dazu habe ich aber zwei Fragen:

1.) Wie in 2017 weiter, wenn die Mehrheit unserer Kommunen den Haushaltsausgleich nicht mehr schaffen kann und überdies auch die Verschuldung zum Teil über der erlaubten Grenze liegt? Viele werden dann nicht einmal ihre Pflichtaufgaben realisieren können. Und dann???

2.) Die Kreise finanzieren sich im Wesentlichen über die Kreisumlage bei den Kommunen. Wie denn z. B. hier weiter??? Die Kreise werden dann ganz überwiegend auch keinen ausgeglichenen HH mehr haben. Oder sehe ich das falsch???

Also ich meine, dass man die Schonzeit der Gemeinden nochmals verlängern sollte. Anders geht das in der jetzigen Zeit, wo die Belastungen unserer Gemeinden bereits sehr hoch sind, nicht. Der SSG hat dazu auch bereits die entsprechenden Forderungen aufgemacht.
Zuletzt geändert von jop am So 7. Feb 2016, 18:09, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon Vogel.dresden am Di 5. Jan 2016, 12:56

Wo soll das denn dann hinführen? Nach meiner Ansicht besteht doch keine vernünftige Alternative zum Haushaltsausgleich, der Schuldenbegrenzung und dem Ersatz der verzehrten Ressourcen. Wir können das bestehende Problem nicht schon wieder vertagen. Eine solche Diskussion wäre weder vernünftig, noch ehrlich!
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon Seife am Di 5. Jan 2016, 13:19

OK. Ist es aber nicht auch vernünftig, wenn Reglungen getroffen werden die Abwenden, dass die Mehrheit der Gemeinden nicht in vorläufiger Haushaltsführung feststeckt? Wenn wir in der gegenwärtigen Situation, die zu einer sehr ernsten Spaltung der Gesellschaft führen kann die Gemeinden handlungsunfähig machen, ist das nach meiner Auffassung nun auch nicht besonders vernünftig.
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon Vogel.dresden am Di 5. Jan 2016, 13:35

Jeder Zeitpunkt ist - je nach Betrachtungsweise - der ungünstigste Zeitpunkt. Es ist längst überfällig diese anhaltenden Probleme in Ordnung zu bringen. Welche Alternative gibt es denn? Ein weiteres Verschieben vermehrt die bereits bestehenden Probleme nur aber beseitigt sie doch nicht. Wenn nicht jetzt, wann denn dann?
Die Kriegs- und Nachkriegsgenerationen haben eine riesige Aufbauleistung vollbracht. Sich vor Problemlösungen nicht gescheut und angepackt. Heute verzehren wir zunehmend die erbrachten Leistungen und Güter und lassen den nachfolgenden Generationen einen Scherbenhaufen übrig. Das ist an den Fakten klar belegbar. Was ist denn sonst darunter zu verstehen, dass wir seit 2003 in den Kommunen bei Vermögen und Infrastruktur die Ersatzinvestitionen nicht mehr aufgebracht haben, welche zum Ausgleich der Abschreibungen erforderlich gewesen wären? Ich habe das so klar auch noch nicht realisiert gehabt, wie das hier dargestellt wurde. Vermutet aber schon.
Auch so spaltet man eine Gesellschaft, wenn das nicht schon passiert ist. Die immer schlimmer werdende Mentalität, "ich lebe jetzt, ich will endlich von meinem Leben etwas haben und was nach mir wird...interessiert mich doch nicht" - führt menschlich und gesellschaftlich in das Nichts. Entschuldigung, dass ich das hier nicht sachlicher sagen kann.
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon biene am Di 5. Jan 2016, 13:52

@Vogel
Natürlich hast Du da recht. Wir müssen das, was spätestens ab 2003 in den Kommunen gelaufen ist, wieder in Ordnung bringen. Schritt für Schritt, wie die Generationen das vor uns gemacht haben. Dabei ist es unerheblich, ob wir nun mühen hatten, die deutsche Einheit zu bezahlen. Es ist auch nicht entscheidend, dass wir wegen der Kriege und der Vertreibung nun Flüchtlinge zu versorgen haben. Morgen werden wir eine weitere Herausforderung haben. Das hatte die Generation vor uns auch und trotzdem haben die den Vermögensaufbau bewältigt. Wir klagen zu oft und zu lange und sehen uns selbst zu sehr im Mittelpunkt. Sind es aber nicht.
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon hansi am So 17. Jan 2016, 14:15

Da habe ich eine andere Sicht zu den Dingen. Wir haben so weit ich mich zurückerinnern kann, nach Kemeralistik die Haushalte geführt und keinen Ersatz der Ressourcen realisieren müssen. Nun ganz plötzlich muss das gemacht werden. Damit werden deshalb die meisten Kommunen Schwierigkeiten haben. In Sachsen hatte man eine Funktional-, Kreis- und Gemeindegebietsreform, um die Verwaltungsstrukturen passgerecht zu bekommen. Der damalige Ministerpräsident hatte sehr viel Mut und ist auch darüber "gestolpert".
Eine Gemeindegebietsreform wäre aus wahltaktischen Gründen auch in Sachsen schwierig. Einfacher ist es deshalb, dass über die Doppik und den Ressourcenverzehr zu realisieren. Damit regelt sich das Problem ganz von allein über die Finanzen der Kommunen. 2017 ist das Jahr der Gemeindegebietsreform, welche über die Haushalte gesteuert wird. Für mich ergibt sich auch die Frage, warum die Länder nicht die Doppik eingeführt haben?
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon Vogel.dresden am So 17. Jan 2016, 14:42

Meiner Meinung nach dürfen die Gesamtrahmenbedingungen in Deutschland, insbesondere das Auslaufen des Finanzausgleichsgesetzes 2019 nicht aus dem Auge verloren werden. Deshalb erscheint mir der Einschnitt im Jahr 2017, hinsichtlich dem Ende der Übergangsbestimmungen zur Wertung der kommunalen Haushalte gerade noch ausreichend. Hier bitte auch einmal nachlesen:

http://archiv.wirtschaftsdienst.eu/jahr ... utschland/
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon Vogel.dresden am So 17. Jan 2016, 18:15

Vielleicht aber auch nochmals konkret zu den Sorgen vor Ort in den Kommunen. Seit Herbst 2015 ist die VwV-Bedarfszuweisung auch wieder zur Förderung der Konsolidierung der Haushalte in Kraft. Hier wird in aller Breite vom Freistaat Sachsen unterstützt. Im Einzelfall, wenn die Gemeinde besonders von Bedarfszuweisungen abhängig ist, werden auch die Haushaltsstrukturkonzepte in ihrer Erstellung gefördert. Der Freistaat Sachsen lässt demnach seine Kommunen auch nicht im Stich:

http://www.revosax.sachsen.de/vorschrift/16253

Also da wäre schon dem Argument einer Gemeindegebietsreform über den "Hintereingang" des Rathauses entgegengewirkt. Wer sich demnach aktiv kümmert, wird auch Lösungen suchen und finden.

Meine persönliche Meinung.
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon sylt am Fr 22. Jan 2016, 20:06

Wir haben einst ein Haushaltsstrukturkonzept bei der RENTA CONTROL UNION aufstellen lassen. Natürlich gab es Diskussionen im Stadtrat. Das scheint unvermeidbar zu sein. Letztlich ging es um den Bestand freiwilliger Leistungen der Stadt. Die RENTA CONTROL UNION hatte kurzfristig eine Zwischenpräsentation eingeschoben, was die Diskussionen im Stadtrat in eine konstruktive Richtung lenkte. Das war eigentlich gut so.
In der Verwaltung hielten sich die Diskussionen im vernünftigen Rahmen. Das waren eher Diskussionen um den zu wählenden Weg der Konsolidierung und nicht zur Substanz der Maßnahmen selbst. Ehrlich gesagt, hätten wir selbst weder die Kraft noch die Konzentration auf die wesentlichsten Dinge gefunden. Der Projektleiter hatte genug Erfahrung, uns auf die entscheidenden Inhalte und den Richtigen Weg zu bringen.
Wenn ich gewusst hätte, dass das so sachlich und vernünftig abläuft, hätten wir den Prozess noch eher eingeleitet.
Fakt ist aber, dass die wirklich schwierigen Probleme erst nach Aufstellung und Beschluss zum Haushaltsstrukturkonzept entstehen. Ohne den kostenfreien Service der RENTA CONTROL UNION in den Folgejahren hätten wir das nicht geschafft. Die Berater passen die einzelnen Maßnahmen jeweils an und unterstützen den Umsetzungsprozess. Jetzt sind wir fast durch und auch wieder auf dem richtigen Kurs.
Ohne mich hier anzubiedern kann ich schon sagen, dass sich die über 20 - jährigen Erfahrungen der RENTA CONTROL UNION in der Haushaltskonsolidierung für uns ausgezahlt haben. Die Projekte zum Haushaltsstrukturkonzept sind so komplex, dass man nur anraten kann, Berater mit langjähriger Erfahrung zu wählen. Erfahrung zählt sich hier aus. Angst vor 2017 haben wir nicht mehr, weil wir wissen, wie wir die Dinge hinbekommen.
Soviel einmal ein Bericht aus der Praxis, sodass hier nicht nur theoretisch diskutiert wird.
Letztlich grüße ich von hier die "Kaktusblüte". War nicht schlecht. Würde mich freuen, wenn ich wieder mal was von Dir höre!!! Meine E-Mai-Adresse hast du ja. Dann bis bald einmal.
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Re: Haushaltsausgleich ab 2017

Beitragvon Andreas am Fr 22. Jan 2016, 20:57

Das ist interessant zu hören. Wir haben in Sachsen im Jahr 2015 auch ein solches Haushaltsstrukturkonzept aufstellen lassen. Unsere Verwaltungsleitung sah und sieht die Sicherung des Haushaltsausgleichs als strategisch wichtigste Aufgabe an. Leider, leider ist es bei uns nicht so gut gelaufen. Wir hatten einen Wirtschaftsprüfer aus Hessen gewählt, weil wir der Auffassung waren, dass dort reichlich Erfahrungen sind und eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft die Aufgaben am besten lösen könnte. Weit gefehlt.
Erfahrungen gering, Verwaltungskenntnisse schwach und nur aus Hessen. Begleitung des Projektes? Geld verdienet und fertig.
Was Du mit der Begleitung der Haushaltskonsolidierung gesagt hast, kann ich nur dick unterstreichen. Was Du mit jahrzehntelangen Erfahrungen in der Komplexen Materie der Konsolidierung gesagt hast, völlig exakt.
Genau hinschauen bei der Wahl der Berater. Das passiert uns hier bestimmt nicht nochmal.
Andreas
 
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